Leben & Stadt

Eltern, Lehrpersonal und SchülerInnen mit Missmanagement alleine gelassen

Bürgermeister Klaus Luger: „Minister Faßmann hat Dramatik nicht erkannt. Sofortiges Distance Learning für alle Schulen in Oberösterreich ohne weitere verwirrende Bedingungen“

Als „unfassbar“ beschreibt Bürgermeister Klaus Luger die Situation an den Schulen. „Ich bekomme seit Montag unzählige Mails und Anrufe von besorgten Eltern, PädagogInnen sowie von DirektorInnen, die mir von den Vorgängen an den Schulen berichten“, so das Linzer Stadtoberhaupt. Mit den unklaren Vorgaben seitens des Bundesministers sei es beinahe zu unmöglich, die Rahmenbedingungen für einen soliden Unterricht zu schaffen, so der Tenor. 

Diese Erfahrungen teilen auch die beiden Pädagoginnen und SP-Gemeinderätinnen Anna Weghuber und Sarah Fechter, die sich in den letzten Tagen mit den unterschiedlichen Angaben und deren Auswirkungen vor Ort konfrontiert sehen. „Jede Vorgabe und Aussage des Bildungsministers bringt nur noch mehr Unklarheit. Es ist absolut unverständlich, dass wir nach 20 Monaten Pandemie, in denen wir Distance Learning weitestgehend auf erfolgreiche Beine gestellt haben, dieses nun nicht nutzen. Genau jetzt, wo wir es so dringend benötigen, um die besorgniserregenden Infektionsketten zu unterbrechen“, so Weghuber.

„Wir spüren die Verunsicherung auch bei den SchülerInnen. Uns ist allen bewusst, dass die Kinder und Jugendlichen die Kontakte zu ihren SchulkollegInnen wollen und auch brauchen. Aber sie benötigen vor allem auch jetzt einen klaren Schnitt, um gesund zu bleiben und nicht wieder in ein mehrmonatiges Hin und Her geschickt zu werden“, weiß Fechter.

Dass die Linzer Schulen bestens gerüstet sind, betont auch Liegenschaftsreferent Stadtrat Dietmar Prammer, der die getroffenen Maßnahmen der Stadt Linz als Schulerhalterin in Erinnerung führt.  Im vergangenen Jahr hat die Stadt ein Raumkonzept ausgearbeitet, mit dem auf unterschiedliche Szenarien reagiert werden konnte. „Wir haben alles getan, damit ein Präsenzunterricht stattfinden kann. Wir haben unsere Aufgaben als Schulerhalterin erfüllt. Das monatelange Nicht-Agieren der Bundesregierung lässt aber keinen anderen Schritt mehr zu, als die Schulen zu schließen“, so Liegenschaftsreferent Stadtrat Dietmar Prammer. 

Was derzeit in den Bildungseinrichtungen passiert, ist die schlimmste Variante überhaupt: Wer zuhause bleibt, um sich nicht anzustecken, und somit einen Beitrag leistet, um die dramatischen Infektionsketten in den Schulen zu unterbrechen, der bekommt vielfach keinen Unterricht. Über das Wochenende wurden die Vorbereitungen für das jetzt so dringende Distance Learning in zahlreichen Linzer Schulen getroffen.

„Es ist nicht hinzunehmen, dass ihnen das letztlich in einer Nacht- und Nebelaktion noch am Sonntag untersagt wurde“, zeigen sich die beiden Pädagoginnen Fechter und Weghuber erschüttert. Bürgermeister Klaus Luger fordert, dass die Entscheidung über die Durchführung von Distance Learning von den jeweiligen Bundesländern entschieden werden kann. „In einem Hoch-Inzidenz-Bundesland wie Oberösterreich muss eine andere Entscheidung getroffen werden, als dies die Situation in anderen Bundesländern verlangt“, so Bürgermeister Luger.

Dogmatisches und stures Festhalten am Präsenzunterricht gefährdet Erfolg der Pandemiebekämpfung

Durch sein dogmatisches Festhalten am Präsenzunterricht gefährdet Minister Faßmann die Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die Infektionslage eskaliert besonders in den Schulen. Seit Start des aktuellen Schuljahres ist alleine in der oberösterreichischen Landeshauptstadt ein Achtel aller SchülerInnen positiv auf Corona getestet worden. In der letzten Woche betrug der Anteil von Kindern und Jugendlichen an allen Corona-Neuinfektionen in Linz rund ein Drittel. Auch am heutigen Mittwoch sind von den 300 neuen Fällen mehr als 100 SchülerInnen. Deshalb sei es laut Luger unvermeidbar, umgehend auf Distance Learning umzustellen. Schulen sollten nur für die unbedingt nötige Betreuung und Beaufsichtigung offenstehen.

Die Auslastung in den städtischen Horten lag gestern bei unter 50 Prozent. „Das lässt Rückschlüsse auf die Besuchszahlen in den Volksschulen zu, eine fundierte Datenbasis über die anwesenden Schülerinnen und Schüler ist aber zur Klärung der weiteren Vorgehensweise unumgänglich. Diese liege weder den Gesundheitsbehörden noch der Bezirksverwaltung vor. „Wir möchten datenbasiert Entscheidungen treffen, bekommen jedoch keine Zahlen und Fakten über die detaillierte Lage in den einzelnen Schulen“, so das Linzer Stadtoberhaupt mit Unverständnis. Eine Stichproben-Abfrage in sechs Linzer Schulen über den gestrigen Anteil der anwesenden SchülerInnen ergab das Bild, dass in den Mittelschulen zwischen 70 und 80 Prozent und in den Volksschulen rund 60 Prozent der SchülerInnen vor Ort präsent waren.

„Minister Faßmann handelt stur und nicht lösungsorientiert. Es ist absurd, dass einerseits die Eltern gebeten werden, die Kinder nicht in die Schule zu schicken. Andererseits verbietet der selbe Minister die Umstellung auf Distance Learning, das von einigen Linzer Schulen über das Wochenende vorbereitet wurde. Was soll man von einem Bildungsminister halten, der PädagogInnen untersagt, alle ihre SchülerInnen zu unterrichten?“, fragt sich das Linzer Stadtoberhaupt. „Es ist dringend anzuraten, die Entscheidung über Distance Learning vom Bund an die Länder zu delegieren. Die Expertinnen und Experten vor Ort kennen die Situation genau und wissen besser als die Ministerialbürokratie, was zu tun ist“, so Bürgermeister Luger.

Unklare Vorgaben des Bildungsministers verunmöglichen soliden Unterricht

Besonders beim Lehrpersonal rufen die unklaren Aussagen und Vorgaben Sorgen über die kommenden Wochen hervor. Beispiele aus der Praxis gibt es aktuell ausreichend:

Beispiel 1: „Flächendeckendes Distance Learning ist nicht vorgesehen, aber die SchülerInnen können je nach technischen Gegebenheiten am Unterricht virtuell teilnehmen.“ (Erlass des Bundesministeriums vom 19.11.2021)

Wie seit Ende letzter Woche mit der Bildung der Kinder und Jugendlichen in unserem Land umgegangen wird, bezeichnet SP-Gemeinderätin Weghuber als „Wischi-Waschi-Lösung“. „Wir bekommen Vorgaben, die exakt so lauten wie oben angeführtes Beispiel. Was soll das heißen? Die SchülerInnen, die zuhause bleiben, können sich dann jene Stunden aussuchen, an denen sie am Unterricht teilnehmen – oder eben nicht teilnehmen“, fragt sich Weghuber, die so rasch als möglich klare Vorgaben und Strukturen fordert. „Wir sind als Lehrpersonal wirklich flexibel, aber mit solchen Anweisungen ist es beinahe unmöglich, eine gute Unterrichtssituation zu schaffen“.

Beispiel 2: „Die Intention ist ganz klar, in dieser Zeit jetzt, ist eine Vertiefung des Unterrichts, eine Wiederholung des Unterrichts, aber keine neuen Unterrichtsmaterien zu erarbeiten, eine klare Prämisse.“ (Bildungsminister Heinz Faßmann im Ö1-Morgenjournal, 22.11.2021)

Entsetzt reagierte SP-Gemeinderätin und Lehrerin Sarah Fechter über die Information, dass nur Bestehendes vertieft werden soll, die Lernpakete würden nicht extra neu erarbeitet werden müssen. „Wenn meine Klasse gerade eine Schularbeit hinter sich hat, dann kennen sie den Lerninhalt. Denn er wurde gerade geprüft. Das braucht nicht mehr vertieft zu werden. Ich kann doch jetzt nicht einfach hergehen und sagen, da bleiben wir stehen für die nächsten Wochen und Monate. Das hat schließlich langfristige Auswirkungen auf den Stoff, der im Laufe eines Schuljahres vermittelt werden soll“, so Fechter.

Die Inhalte der vielfach zitierten Lernpakete sind völlig undefiniert, Berichte aus der Praxis zeigen zudem, dass es hier keine gemeinsame Vorgehensweise gibt. „In manchen Schulen sind diese bereits gut ausgearbeitet, in anderen fehlen sie völlig. Manche SchülerInnen müssen sich die Lernpakete selbst organisieren, gleichzeitig gibt es LehrerInnen, die sehr bemüht sind, dass die zu Unterrichtenden alle dieselben Informationen erhalten“, berichtet Bürgermeister Luger von seinen zahlreichen Gesprächen. Unterschiede in der Vorgehensweise gibt es zudem auch bei den Entschuldigungen. Vielerorts werde diese verlangt, obwohl es hieß, dass es nicht notwendig sei. Vor allem für die Oberstufen entstehe dadurch ein unnötiger bürokratischer Aufwand, so Luger.

Beispiel 3: „Schularbeiten sind derzeit nicht durchzuführen, es sei denn, alle sind klarerweise im Präsenzunterricht, wo man es machen könnte.“ (Bildungsminister Heinz Faßmann im Ö1-Morgenjournal, 22.11.2021)

Gerade beim Thema Leistungsbeurteilung braucht es eine klare Position. „Schularbeiten und Tests sind zumindest bis zu den Weihnachtsferien auszusetzen. Das ist höchstens nur für Oberstufen-SchülerInnen und nur in begründeten Situationen notwendig“, betont Bürgermeister Luger.

Die Situation ruft letztlich bei Eltern, wie auch bei SchülerInnen, Unsicherheit hervor. Eltern fragen sich, welche Auswirkungen es langfristig auf ihre Kinder hat, wenn sie jetzt zuhause bleiben. „Verständlich“, wie Fechter betont. „Wir wissen, dass schon die letzten Monate der Pandemie das Ungleichgewicht in der Ausbildung junger Menschen verstärkt hat. Wir können hier nicht tatenlos zusehen“.

An einem Umstellen auf Distance Learning führt für Fechter und Weghuber kein Weg vorbei. „Mit jedem Tag, den wir zuwarten, verlängern wir die Pandemie und laufen Gefahr, dass dieser untragbare Zustand wieder mehrere Monate dauert und gefährden damit die Gesundheit – und zwar die Gesundheit aller, nicht nur jene des Lehrpersonals und der SchülerInnen“.

Beispiel 4: „Ab dem zweiten Fall in der Klasse wechselt die gesamte Klasse nach Rücksprache mit der jeweiligen Bildungsdirektion ins Distance Learning.“ (Ankündigung Gesundheits- und Bildungsminister, 23.11.2021)

Klassen sollen künftig bundesweit ab dem zweiten Corona-Infektionsfall für mindestens fünf Tage ins Distance Learning geschickt werden. Darauf haben sich Bildungs- und Gesundheitsministerium gestern verständigt. Die Schule, so Faßmann in einer Stellungnahme, übernehme hier einmal mehr die Aufgabe der Gesundheitsbehörden, die diese derzeit nicht wahrnehmen. „Es ist an Absurdität kaum zu überbieten, was auf Bundesebene alles erarbeitet wird, nur damit der Bildungsminister an seinem sturen Kurs – kein Schließen der Schulen – festhalten kann. Ich habe die Befürchtung, dass bei den aktuellen Corona-Infektionen in Oberösterreich mit dieser Regelung de facto alle SchülerInnen in den Wochen bis Weihnachten zumindest einmal im Distance Learning sind“, stellt Bürgermeister Luger fest. Warum sich der Gesundheits- und der Bildungsminister nicht durchringen können, den Bundesländern generell die Entscheidung über Distance Learning zu überlassen, kann das Stadtoberhaupt nicht nachvollziehen. „Die Ankündigung dieses Schritts ist jedenfalls ein weiterer Beweis für das Corona-Missmanagement des Heinz Faßmann“, so Luger weiter.

Linzer Schulen waren auf Präsenzunterricht vorbereitet – nicht gehandelt hat Bildungsminister

„Wir waren in der Stadt Linz immer für das Ermöglichen eines Präsenzunterrichts und haben die Linzer Pflichtschulen in unserer Rolle als Schulerhalterin bestens darauf vorbereitet“, betont Stadtrat Prammer. „Alle unsere Sicherheitsvorkehrungen bringen nichts, wenn der Bund seine Aufgabe nicht erfüllt. Leider explodieren die Infektionen unter den Kindern und Jugendlichen, weswegen kein anderer Schritt übrigbleibt, als auf Distance Learning umzustellen“, bedauert Prammer das nicht rechtzeitige Agieren des Bundesministers.

Aus den Erfahrungen der Pandemie hat die Stadt Linz bereits Maßnahmen an den insgesamt 37 Schulstandorten, für die die Stadt verantwortlich zeichnet, erbracht: „Foyers und andere Gemeinschaftsräume, etwa Turnsäle, wurden adaptiert, zusätzliches Mobiliar angeschafft, in der Nähe von Schulen gelegene Volkshäuser und andere städtische Liegenschaften freigehalten. Dadurch wollten wir sicherstellen, dass beispielsweise bei notwendigen Klassenteilungen oder für die Schulausspeisung unter Einhaltung der Abstandsregeln ausreichend Raum zur Verfügung steht“, erläutert Liegenschaftsreferent Stadtrat Dietmar Prammer. Fast überall konnten die entsprechenden Lösungen gefunden werden, manchenorts scheiterte die Umsetzung am fehlenden Aufsichtspersonal. „Das ist jedoch Aufgabe des Bildungsministeriums“, erklärt Prammer.

Darüber hinaus setzten die MitarbeiterInnen der Stadt im laufenden Betrieb zusätzliche Schritte, um das Virus bestmöglich einzudämmen: in allen Schulen fanden regelmäßige Flächendesinfektionen durch Reinigungsfirmen statt. Schulwarte übernahmen die regelmäßige Desinfektion von Handläufen, Griffen und Türklinken, Schulwarte unterstützten das Lehrpersonal bei den Einlasskontrollen, Bodenmarkierungen zur Einhaltung der Abstandsregeln wurden angebracht.

„Mit den Maßnahmen haben wir uns zum Ziel gesetzt, einen holprigen Schulstart wie im Herbst 2020 und ein weiteres durchwachsenes Schuljahr auf jeden Fall zu verhindern“, so Bürgermeister Klaus Luger und Stadtrat Dietmar Prammer unisono. „Während wir unsere Hausaufgaben ernst nehmen und unseren Beitrag zu einem möglichen Präsenzunterricht geleistet haben, hat der zuständige Minister die Sommerpause nicht genutzt und keinerlei Vorkehrungen getroffen. Um die Gesundheit aller zu schützen und die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen, bleibt als letzte Konsequenz nur mehr das Umstellen auf Distance Learning“.

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