Leben & Stadt

Zukunftsvisionen: Was könnte aus dem Schlachthof werden?

Städtebauliche Kommission denkt neue Linzer Ost-Achse an

Linz ist eine dynamische, urbane und zukunftsorientierte Stadt. Um diese Dynamik im Einklang mit den Gesamtinteressen der Stadt Linz und der hier lebenden Menschen zu steuern, ist es gerade hier – ausgelöst durch die geplante Neugestaltung des Schlachthof-Areals – erforderlich, die weitere städtebauliche Entwicklung durch eine gesamtheitliche Stadtentwicklungsstrategie abzusichern. Die Erweiterungsflächen im Linzer Osten, darunter das Areal des Linzer Schlachthofes sowie die umliegenden Flächen bis zum Gebiet rund um den Winterhafen, stellen Gebiete dar, die auch kreative Ansätze und unkonventionelle Formen des Wohnbaus ermöglichen könnten.

Unter diesem Blickwinkel wurde auch die Revitalisierung des Linzer Schlachthof-Areals von der städtebaulichen Kommission begutachtet. Wie sieht die städtebauliche Herangehensweise aus? Welche Potenziale stecken in diesem – bisher eher wenig beachteten – Stadtraum? Welche Chancen tun sich hier für eine integrierte Stadtentwicklung in den kommenden Jahren auf? Welche notwendigen Schritte müssen gesetzt werden, um diese Möglichkeiten zu nutzen?

„Bei der vorliegenden Betrachtung des Areals rund um den derzeitigen Schlachthof bedeutet diese Herangehensweise, aus einer übergeordneten Sichtweise mit großer Flughöhe, Potenziale und Bezüge des Standorts zu erkennen. Diese Erkenntnisse werden in die Entwicklung zukünftiger Projekte einfließen. Damit wird den derzeitigen und den zukünftigen BewohnerInnen und Unternehmen, den Bauträgern und InvestorInnen sowie Grundeigentümern die Gewissheit gegeben, dass alle Planungen und Realisierungen Teil eines übergeordneten Gesamtkonzepts darstellen. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass die einzelnen Schritte der Entwicklung des Standorts auf diese Zielsetzungen abgestimmt sind und in Einklang mit einem großräumigen Entwicklungskonzept der Stadt Linz stehen“, informiert Infrastrukturreferent Vizebürgermeister Markus Hein über das Großprojekt.

Die im Vorjahr ins Leben gerufene städtebauliche Kommission befasste sich über Anregung von Vizebürgermeister Markus Hein mit der mittel- bis langfristigen Neunutzung des Schlachthof-Areals. Um die Potenziale des Standorts darzustellen, wurde durch private Projektentwickler ein erstes Konzept für eine Neunutzung des Schlachthofs nach dessen Absiedelung beauftragt. Dieses Konzept sieht ein verdichtetes, kompaktes Bauvolumen vor, das jedoch weitgehend isoliert auf die Anforderungen des Standorts reagiert.
Die städtebauliche Kommission hat darauf reagiert und nun eine langfristige Perspektive für das Gebiet westlich der Holzstraße bis zur Mühlkreisautobahn, von der Donaulände im Norden und der Paul-Hahn-Straße im Süden entwickelt, die eine nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung vorsieht.

Durch die neue Donaubrücke, die geplante Regional- bzw. Stadtbahn und den Bau der VOEST-Bypass-Brücken rücken die Neuentwicklungen in diesem Bereich der Stadt stärker ins Bewusstsein. Die angedachte Umnutzung des Schlachthof-Areals ist ein weiteres starkes Indiz für den jetzt anstehenden Stadtumbau in diesem ehemaligen Außenposten der Stadt.

Übergeordnete stadträumliche Grundlagen

Das Planungsgebiet befindet sich an der östlichen Grenze der Innenstadt. Im 19. und 20. Jahrhundert haben sich entlang der ehemaligen Eisenbahntrasse zahlreiche Industrie- und Gewerbetriebe angesiedelt. In dem Betrachtungsgebiet überwiegen die Nicht-Wohnnutzungen stark, lediglich einige Wohnbauten aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie etliche sehr kleinteilige Wohnhäuser entlang der Autobahn bilden hier eine Ausnahme. Zusammengefasst definierte dieser Stadtraum bislang auch für jeden Laien deutlich spürbar ein bauliches, funktionales und atmosphärisches Ende der Kernstadt.

In den vergangenen Jahrzehnten vollzog sich hier jedoch ein steter Wandel, der sich an unterschiedlichen Umnutzungen und Neuentwicklungen zeigt. Am markantesten ist dabei sicherlich die Umgestaltung von der ehemaligen Tabakfabrik zu einem mittlerweile überregional bekannten Kreativ-Hotspot. Aber auch weitere Neunutzungen, wie das E-Tech-Center, das neu gebaute Bürogebäude der Dynatrace, sowie das Auflassen der Anschlussgleise, sind unverkennbare Zeichen eines strukturellen Wandels dieses Stadtareals.

Auch in Richtung Donau entstehen in naher Zukunft große Neubauten: So sind ein großer Möbelmarkt in Verbindung mit dem Neubau des Donaustadions derzeit in Planung, die neue Donaubrücke ist in Bau und wird eine starke Veränderung der Verkehrsströme mit sich bringen.

Verkehrsinfrastruktur

Verkehrstechnisch ist der städtische Großraum schon heute sehr gut erschlossen: Über die leistungsfähigen städtischen Achsen Autobahn, Hafenstraße und Lederergasse erreicht man mit dem PKW und dem LKW von allen Seiten optimal diesen Teil der Stadt. Einige Buslinien verlaufen am Rande des Gebiets, andere öffentliche Verkehrsmittel sind zurzeit noch nicht vorhanden.

Die Errichtung der neuen Donaubrücke initiiert in Verbindung mit der Reaktivierung der Gleistrasse einen entscheidenden Ausbau des regionalen und lokalen Öffi-Netzes, womit das Areal einzigartig gut mit dem öffentlichen Verkehr vernetzt sein wird. Mit der geplanten Regional- und Stadtbahn (S6 und S7) wird ein hoch leistungsfähiges, überregionales und in dichtem Takt fahrendes öffentliches Verkehrsmittel das Gebiet versorgen und erstklassig an lokale und überregionale Verkehrsknotenpunkte anbinden.

Zahlreiche wichtige Radrouten verlaufen jetzt schon entlang des Schlachthof-Areals. Künftig sollen zudem zwei wesentliche Fahrradachsen in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung queren.

Das Schlachthof-Areal im Detail

Die Gesamtfläche des Schlachthof-Areals umfasst ca. 36.000 Quadratmeter. Das Areal ist im Westen von der Holzstraße, im Norden von der Donaulände, im Osten von der Gleistrasse und im Süden von der Lederergasse begrenzt. Es umfasst neben dem eigentlichen Schlachthof auch die als Go-Kartbahn genutzte, denkmalgeschützte Schlachthofhalle – ein weithin sichtbares und bemerkenswertes Landmark – das alte Wirtshaus, ein letzter Bestand der ursprünglichen Bebauung des Schlachthofs und damit ein wichtiges Zeitzeugnis, sowie ein aufgelassenes Reifenhandel-Unternehmen an der Donaulände. An drei Seiten des Areals verkehren öffentliche Buslinien und befinden sich Bushaltestellen.

Entsprechend der derzeitigen Widmung befinden sich zahlreiche Gewerbetriebe in der näheren und weiteren Umgebung. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die „Laska Maschinenfabrik“ im Westen, im Osten das „E-Tech Center“ und „Landhof“ sowie weitere Gewerbe- und Logistikbetriebe mit teils starkem LKW-Verkehr. Im Westen grenzt die Bebauung der ehemaligen Frauenklinik unmittelbar an, im Süden befinden sich zwei Supermärkte.

Die bauliche Struktur der Umgebung ist sowohl in Bezug auf die Entstehungszeit, auf die Maßstäblichkeit, als auch auf die Materialwahl und Formensprache maximal heterogen. Diese Beliebigkeit in Form und Stadtraumbezug ist laut der städtebaulichen Kommission zu einem guten Teil auch der beschriebenen Metamorphose des Stadtraums zu schulden. Derzeit fehle eine klare städtebauliche Ausrichtung des Gesamtraums.

Vom Außenposten zum integrativen Stadtraum

Das Standortpotenzial des Schlachthof-Areals ist nach Einschätzung der städtebaulichen Kommission langfristig neu zu definieren: Anstatt einer Grenzziehung zwischen einzelnen Arealen sind die Potenziale des Standorts in Zusammenhang mit den aktuellen und künftigen Entwicklungsprojekten zu verstehen und auszuloten.

Die Kommission sieht die Neunutzung des 36.000 Quadratmeter großen Areals des Schlachthofs als einen neuerlichen Schritt der Erschließung einer neuen östlichen Innenstadtgrenze (wie schon vorher die Umnutzung der Tabakfabrik, der Neubau der Frauenklinik etc.). Insbesondre im Zuge der Realisierung der geplanten Infrastrukturprojekte, die im Zusammenhang mit den neuen Donaubrücken und dem Ausbau der Regional- und Stadtbahn stehen und somit den Standort unmittelbar betreffen, kann der gesamte Stadtraum aufgewertet werden und einen völlig neuen Stellenwert im Gesamtgefüge von Linz einnehmen.

Aus einer Randlage ohne deutlich ablesbare Adresse könnte ein hochwertiger, prominent erreichbarer Standort werden – eine neue Zentralität im inneren Linzer Stadtbereich. Dafür wird es notwendig sein, die neue Schnellbahntrasse nicht nur als Infrastrukturprojekt, sondern als großzügige und multimodale städtische Achse zu begreifen. Hier kann sich ein lebendiges, dicht bespieltes, lineares Zentrum für die Stadterweiterung etablieren, die ein Bindeglied zwischen der westlichen bestehenden und der östlichen zukünftigen Innenstadt darstellt.

Damit kann diese neue Achse mittel- bis langfristig zu einem städtischen Rückgrat werden: Ausgehend von der Donaubrücke würde diese – im Endausbau prominente – Nord-Süd-Achse bis zur Mozartstraße verlaufen und damit ungewohnte Relationen schaffen, die dem Potenzial dieses Stadtraums ganz und gar neue Perspektiven verleihen. Im Sinne einer zeitgemäßen Synergie zwischen Infrastruktur- und Freiraumentwicklung soll der Korridor der ehemaligen Eisenbahn- und zukünftigen S-Bahntrasse als attraktiver öffentlicher Raum mit attraktiven Fuß- und Radwegen ausgebaut werden. Auf diese Weise wird die ehemalige, scharfe bzw. harte Grenze der Bahnlinie zum stadträumlich verbindenden Element.

Neue Verkehrsachse im Osten

Das Potenzial dieser neuen Stadtachse wird erkennbar, wenn man gewisse Analogien zur Landstraße betrachtet: beide Achsen knüpfen an die beiden einzigen städtischen Donaubrücken an, beide verfügen über wichtige ÖV-Relationen und sind frei eines motorisierten Individualverkehrs (MIV). Wenn die Landstraße das historische und traditionelle Stadtzentrum mit den bekannten Angeboten des Einzelhandels und der Gastronomie verkörpert, könnte laut Einschätzung der städtebaulichen Kommission diese Ost-Achse zu einer Perlenschnur neuer wirtschaftlicher und atmosphärischer Hotspots werden. Diese Achse könnte eine komplementäre Zentralität entwickeln, welche der inneren Stadtstruktur von Linz auf lange Sicht Kohärenz gibt und gleichzeitig den besonderen Charakter der Stadt stärken könnte. Im Idealfall könnten diese zwei starken, orthogonal zur Donau verlaufenden Achsen, die Stadt atmosphärisch viel stärker als bisher mit dem Flussraum verknüpfen.

Dementsprechend sollte entlang der neuen Ostachse auch hochwertig baulich verdichtet werden. Dabei sind insbesondere die städtebaulichen Gunstlagen dieser Liegenschaften zu adressieren: der attraktive öffentliche Raum mit ÖV-Anbindung auf der einen, sowie die optimale MIV-Anbindung auf der anderen Grundstücksseite, also die Holzstraße bzw. die Lederergasse/Köglstraße. Voraussetzung für eine bauliche Verdichtung ist allerdings, dass jedes einzelne Entwicklungsprojekt einen Baustein für die Umsetzung des Standortpotenzials darstellt und einen konkreten Beitrag zum Ausbau des Infrastrukturnetzes als hochwertigen öffentlichen Raum leistet.

Um dieses neue Rückgrat im Stadtraum erlebbar zu machen bzw. auch ausreichend zu beleben, erscheinen der Kommission eine Abfolge von vertikalen Hochpunkten empfehlenswert. Die Bauten sollten vielfältig genutzt werden und innovative Formen des Miteinanders von Wohnen, Arbeiten, Produktion und Freizeit integrieren.

Linienpark für mehr Grün

Die neue Infrastruktur begleitend, soll ein Linienpark entstehen. Dieser sollte auf Empfehlung der städtebaulichen Kommission von Beginn an parallel zur Infrastruktur mitgeplant werden. Er soll eine durchgehende Mindestbreite haben, die mit hochwertigem Grün ausgestaltet wird. Zusätzlich sind in regelmäßigen Abständen Parkerweiterungen vorzusehen, die auch die Möglichkeiten für flächenverbrauchende Spielangebote und Nutzungen bieten.

Für die Qualitätssicherung sind von Anfang an die Querschnitte und Grundrissanforderungen der Infrastruktureinrichtungen, wie Einbauten, Abstandsflächen, Wartungszufahrten und Feuerwehraufstellflächen, mitzuplanen. Diese Grünachse muss unbedingt von Autoverkehr freigehalten werden. Ausnahmen sind selbstverständlich notwendige Anlieferungen, Notfallfahrzeuge etc. wie das aus den autofreien Innenstädten bestens bekannt ist.

Neben dem Linienpark ist auch auf eine ausreichende Abfolge von unterschiedlichen Plätzen zu achten. Der öffentliche Raum soll als Gesamtheit betrachtet werden. Die Bebauungsstruktur ist auch hinsichtlich ihrer Wirkung zum öffentlichen Raum hin (Straßen, Gehsteige, Alleen) zu planen. Um die hochfrequentierten öffentlichen Aus- und Umstiegsbereiche sind ebenfalls passende Freiräume und angrenzende Nutzungen (Geschäfte und Lokale im Erdgeschoß) erforderlich.

Empfehlung der Kommission: Kooperatives Verfahren anwenden
Die Kommission empfiehlt, eine umfassende, bauplatzübergreifende Planung des Stadtraums zwischen Holzstraße und Mühlkreisautobahn unter besonderer Berücksichtigung der Potenziale der neuen Regional- und Stadtbahnlinie und der anstehenden Umnutzung zahlreicher Gewerbebetriebe in Auftrag zu geben. Dabei sollten die jetzigen Grundeigentümer, mögliche Entwickler und Bauherrn sowie die für die Eisenbahntrasse zuständigen Verantwortlichen miteinbezogen werden. Ein kooperatives Verfahren zur gemeinsamen Standortbestimmung und Visionsfindung erscheint hier eine geeignete Methode zu sein.

Die langfristig einzigartige Perspektive für die hochwertige Entwicklung des Schlachthof-Areals macht eine derartige, über Einzelparzellen hinausgehende, gesamtheitliche Betrachtung besonders erstrebenswert.

„Große städtebauliche Veränderungen bieten nicht nur große Chancen für mehr Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner, sondern erfordern auch gute Planung und viel Feingefühl. Wir stellen daher eine kooperative Vorgehensweise mit allen Beteiligten sicher. Denn die Flächenverfügbarkeit, mögliche Grundstückszusammenlegungen oder das Einvernehmen bezüglich möglicher Neubauten kann nur durch klare Visionen und ein gemeinsames Vorgehen ermöglicht werden“, blickt Infrastrukturreferent Vizebürgermeister Markus Hein optimistisch in die Zukunft.

 

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