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Erste Erinnerungsstele für jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Bernaschekpark aufgestellt

Israelischer Botschafter Mordechai Rodgold und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Herman bei Errichtung

Bürgermeister Klaus Luger kündigt Aufstellung der restlichen Erinnerungszeichen für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in den folgenden Monaten an

Nach Covid-19-bedingter Verzögerungen bei der Detailentwicklung der Gestaltungsidee von Andreas Strauss und bei der Produktion der Elemente erfolgt die Errichtung von Erinnerungszeichen für jüdische Opfer im Linzer Stadtraum nun in den nächsten Monaten.

Als erstes Erinnerungszeichen für NS-Opfer kommt in Linz in Anwesenheit des israelischen Botschafters Mordechai Rodgold und der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Herman, die Stele im Bernaschekpark in Urfahr zur Aufstellung, wo sich auch das Linzer Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus befindet.

Diese Stele gedenkt sieben Linzer*innen, die in den Häusern Rudolfstraße 9 und 11, Bernaschekplatz 7 sowie in der Neugasse 7 wohnhaft waren. Dr. Ludwig Kubin wurde im Februar 1938 in den Selbstmord getrieben. Jenny Fürnberg, Dr. Karl Czerwenka, Ernestine und Cäcilie Kubin und Siegmund Kluger wurden zwischen 1938 und 1942 in die Konzentrationslager Theresienstadt, Dachau, Litzmannstadt deportiert und dort bzw. im KZ Buchenwald ermordet. Nur eine von ihnen, Frau Martha Kulka, überlebte vier Konzentrationslager, darunter Auschwitz. Sie hatte nach ihrer Rückkehr nach Linz eine zentrale Funktion in der Israelitischen Kultusgemeinde inne.

Die Erinnerungszeichen sind permanente, von der Linzer Stadtverwaltung errichtete Stelen, die ein personalisiertes Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus ermöglichen – insbesondere als Erinnerung an verfolgte, vertriebene und ermordete Linzer Jüdinnen und Juden. Bis Ende Juni folgt die Errichtung von Stelen rund um den Volksgarten, im Schillerpark, in der Stockhofstraße und bei der Israelitischen Kultusgemeinde in der Bethlehemstraße. Über den Sommer werden weitere Erinnerungszeichen in der Innenstadt aufgestellt. Im September gestaltet die Stadt Linz gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde eine feierliche Zeremonie, zu der auch Nachkommen und Angehörige der Familien der Opfer aus dem Ausland anreisen werden.

„Die Stadt Linz beschäftigt sich seit Jahren auf vielfältige Weise mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit. Mit den Erinnerungszeichen beschreitet sie nun einen eigenständigen, in dieser Form einzigartigen Weg, damit das Geschehene und vor allem die Opfer nicht vergessen werden. Mein besonderer Dank gilt der Israelitischen Kultusgemeinde für die enge inhaltliche Kooperation, dem Künstler Andreas Strauss für den hervorragenden Entwurf sowie der voestalpine für die Zusammenarbeit im Ausbildungszentrum und die Bereitstellung von Material“, sagt Bürgermeister Klaus Luger.

„Die würdige Erinnerung an die jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die in der Shoah von den Nazis und ihren Helfern und Helferinnen ermordet wurden, ist die Basis, auf der wir heute gemeinsam eine bessere Zukunft bauen können. Ich begrüße daher den Beginn dieser wichtigen Initiative in Linz. Das moderne Österreich, das – spät aber doch – verantwortungsvoll mit dem dunkelsten Kapitel seiner Vergangenheit umgeht, ist heute ein Partner für Israel“, sagt der Israelische Botschafter Mordechai Rodgold.

„Obwohl die Stadt Linz bisher sehr viel zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit getan hat, auch in Form von großartigen Büchern, so war kein einziges Zeichen des Gedenkens im öffentlichen Raum zu finden. Eine Ausschreibung zur Gestaltung eines Erinnerungszeichens war der Start eines großartigen Projektes. Der Künstler Andreas Strauss baute in die Gedenkstelen Klingeln ein, so als könnte man bei den Opfern anläuten.

Dies rief große Emotionen hervor, sodass er als Gewinner der Ausschreibung für die Israelitische Kultusgemeinde eindeutig feststand. Dass Lehrlinge der voestalpine an der Herstellung der Klingeln beteiligt sind, ist auch sehr wertvoll, da sich so junge Menschen mit der schrecklichen Geschichte auf besondere Weise auseinandersetzen. Den Nachkommen der Opfer und uns als Israelitische Kultusgemeinde ist die Umsetzung dieses Gedenkens von immenser Bedeutung und es bereitet uns eine große Freude, dass es nun soweit ist. Ein großes Dankeschön gebührt allen Beteiligten“, erklärt Dr.in Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz.

„Der Gemeinderat hat vor drei Jahren beschlossen, dass Linz über einen jurierten Wettbewerb eigene Erinnerungszeichen für die NS-Opfer gestalten und umsetzen will. Nicht zuletzt dank der Projektkoordination der städtischen Kulturdirektion und der Abteilung Linz Kultur Projekte in Zusammenarbeit mit der Metallwerkstätte Hofstätter sowie mit Mitarbeitern der Grand Garage in der Tabakfabrik, des Studios WHY sowie Förderungen des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und Zukunftsfonds der Republik Österreich kommt das Siegerprojekt von Andreas Strauss nun zur Umsetzung“, freut sich Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer.

„Die Jury hat den Plan des Künstlers, die Erinnerungstafeln gemeinsam mit Lehrlingen im Ausbildungszentrum der voestalpine in Linz herzustellen, sehr positiv bewertet. Umfangreiche wissenschaftliche Recherchen des Archivs der Stadt Linz gemeinsam mit Mag.a Verena Wagner und die tatkräftige Unterstützung des Geschäftsbereichs Stadtgrün und Straßenbetreuung haben unter anderem dieses einzigartige, für die Aufarbeitung unserer geschichtlichen Vergangenheit so wichtige Projekt ermöglicht“, betont Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger.

Zusammenarbeit mit dem Ausbildungszentrum der voestalpine bei der Herstellung

Andreas Strauss entwickelte und fertigte gemeinsam mit Lehrlingen des Ausbildungszentrums der voestalpine in Linz die Klingeln der Linzer Erinnerungsstelen. Dank dieser Zusammenarbeit erhielt die Vermittlung des Projekthintergrundes und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zusätzlich eine wichtige Rolle. Dabei war auch das Zeitgeschichte Museum der voestalpine eingebunden, das den NS-Zwangsarbeiter*innen am Standort Linz der ehemaligen Reichswerke Hermann Göring gewidmet ist. Die voestalpine stellte darüber hinaus Stahlbrammen als Fundamente für die Stelen im bebauten Innenstadtbereich zur Verfügung.

Die Messingstelen samt Unterkonstruktion aus Edelstahl fertigt die Metallwerkstätte Hofstätter aus Gramastetten, das Fräsen der Namen und Daten erfolgt im Makerspace in der Tabakfabrik Linz, der Grand Garage. Die Aufbereitung des Untergrundes und Einarbeiten der Fundamente beziehungsweise Pflasterung erfolgt durch den Geschäftsbereich Stadtgrün und Straßenbetreuung des Magistrats.

Klingel als Metapher und interaktives Element des Erinnerns

Jede Stele wird aus Messing gefertigt. Darauf sind Name und Geburtsjahr der Opfer des Nationalsozialismus sowie Angaben zur Deportation, Ermordung oder Flucht graviert. Der Aufstellungsort befindet sich freistehend in der Nähe von jenen Straßenzügen, wo diese Personen ihre letzte, frei gewählte Wohnadresse in Linz hatten.

Direkt neben den Namen sind an der Stele mechanische Türklingeln angebracht, die, wenn man sie drückt, einen leisen Klingelton erzeugen. Der oberösterreichische Künstler Andreas Strauss stellt die Klingel als mehrdeutige Metapher des Erinnerns ins Zentrum seiner Gestaltung, die sowohl Assoziationen des Daheim- und Zuhause-Seins hervorruft als auch den Moment des gewaltsamen Abholens beschreibt. Der Akt des „Anläutens“ stellt einen emotionalen Kontakt zu den Vertriebenen und Ermordeten her und lässt die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwinden.

Wissenschaftliche Datenrecherche und Website www.linzerinnert.at

In Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde Linz und Nachkommen der Opfer recherchierte Verena Wagner im Auftrag der Stadt Linz alle Daten der jüdischen Flucht- und Holocaustopfer von Linz.

Die vom Studio WHY gestaltete Website www.linzerinnert.at zeigt die Standorte der errichteten Erinnerungszeichen und informiert über die darauf verzeichneten Linzer*innen. Im Laufe des Jahres werden sukzessive diese Stelen mit Fotos auch in die Denkmaldatenbank der Stadt Linz aufgenommen und soweit als möglich die Daten der veröffentlichten Opfer um Kurzbiographien ergänzt.

Gestaltungswettbewerb für eigenständiges Linzer Gedenken

Nach einstimmigen Beschluss im Gemeinderat wurde 2019 ein nationaler, geladener Wettbewerb ausgeschrieben, für den eine Wettbewerbsjury die Ausschreibungsunterlagen erarbeitete und Persönlichkeiten und Kollektive aus den Bereichen Bildende Kunst, Architektur bzw. Design für den Wettbewerb nominierte. Die zehnköpfige Jury hat sich für den Entwurf „Erinnern…“ mit dem Element der Klingel des Künstlers Andreas Strauss ausgesprochen. Der in Wels geborene Künstler Andreas Strauss lebt und arbeitet in Ottensheim und Wien. Strauss studierte von 1996 bis 2004 in der Metallklasse bei Helmuth Gsöllpointner an der Kunstuniversität Linz. 2013 erhielt er den Kulturpreis des Landes Oberösterreich.

Ausloberin und Bauherrin ist für die Stadt Linz die Direktion Kultur und Bildung mit der Abt. Linz Kultur Projekte. Der Jury unter dem Vorsitz von Kulturdirektor Julius Stieber und der Koordination von Gerda Forstner (Abteilungsleiterin Linz Kultur Projekte) gehörten folgende Personen an:

  • Charlotte Herman (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz),
  • Michael John (Stv. Vorstand des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte,
  • Johannes Kepler Universität Linz)
  • Martin Kamrat (Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz),
  • Reinhard Kannonier (ehemaliger Rektor der Kunstuniversität Linz),
  • Hemma Schmutz (Künstlerische Direktorin Museen der Stadt Linz),
  • Walter Schuster (Direktor Archiv der Stadt Linz),
  • Johannes Stitz (Abt. Stadtplanung, Geschäftsbereich Planung, Technik, Umwelt),
  • Martina Taig (Geschäftsführerin, KÖR Wien – Kunst im öffentlichen Raum Wien) und
  • Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Förderung durch Nationalfonds und Zukunftsfonds der Republik Österreich

Diese von der Stadt Linz finanzierten Gedenkstelen werden darüber hinaus mit einer Förderung unterstützt: vom 1995 gegründeten Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie vom Zukunftsfonds der Republik Österreich (ÖZF), der seit 2005 im Gedenken an die Opfer des NS-Regimes, zur Bekämpfung jeder Form von Antisemitismus und Rassismus sowie zur Wahrung von Demokratie und Menschenrechte tätig ist.

Foto: Bürgermeister Klaus Luger gemeinsam mit Botschafter Mordechai Rodgold, Künstler Andreas Strauss, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Herman, Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer und Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger bei der Aufstellung der Stele durch zwei Lehrlinge der voestalpine im Bernaschekpark in Urfahr.

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