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Österreich braucht eine Wasserstoff-Strategie und einen Dekarbonisierungsplan für die Industrie

Bundesregierung muss jahrelange Versprechen endlich umsetzen

Bürgermeister Klaus Luger, SPÖ-Fraktionsvorsitzender Stefan Giegler, SPÖ-Gemeinderat Roland Baumann: „Bundesregierung kommt über den Status der Ankündigungen nicht hinweg“

Zwei Resolutionen der SPÖ-Gemeinderatsfraktion im kommenden Gemeinderat am 24. Mai 2022 beschäftigen sich mit der Förderung von neuen Technologien. „Es geht dabei um wichtige strategische Anträge für die Weiterentwicklung der Stadt Linz. Um bei der Wettbewerbsfähigkeit als Industriestandort auf dem Laufenden zu bleiben, müssen wir die Entwicklung und Umsetzung von neuen Technologien in der Industrieproduktion konsequent vorantreiben“, so SPÖ-Fraktionsvorsitzender Stefan Giegler einleitend.

„Andere EU-Länder, wie etwa unser Nachbarland Deutschland, haben bereits vor zwei Jahren eine nationale Wasserstoff-Strategie beschlossen“, weiß Bürgermeister Klaus Luger. „Österreich hinkt hinterher. Seit Jahren wird diese zwar angekündigt, bis dato gibt es nicht einmal einen Entwurf“, so Luger weiter, der mittels Resolution die Bundesregierung auffordert, raschest eine Wasserstoff-Strategie nach deutschem Vorbild umzusetzen.

Ebenfalls angekündigt wurde bereits vor zwei Jahren ein Dekarbonisierungsplan für die Industrie. Medienberichten zufolge befindet sich dieser zwar in Erarbeitung, eine konkrete Ausgestaltung lässt aber weiter auf sich warten. „Die voestalpine hat die Weichen für eine umweltfreundlichere Stahlproduktion gestellt. Mit dem Projekt „greentec steel“ hat die voestalpine einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt“, erklärt SPÖ-Gemeinderat und voestalpine-Betriebsrat Roland Baumann. „Die ansässige Industrie hat die Bereitschaft und die Voraussetzungen geschaffen. Die Mitarbeiter*innen verfügen über das notwendige Know-how. Aber in der Finanzierung ist die voestalpine, wie auch andere ansässige Betriebe, von der finanziellen Ausgestaltung durch die Bundesregierung abhängig“, weiß SPÖ-Gemeinderat und voestalpine-Betriebsrat Roland Baumann.

Europäische Union setzt auf grünen Wasserstoff

Die Abhängigkeit von russischem Gas und die hohen Energiepreise haben eine sichere Energieversorgung wieder stärker in den Fokus gerückt. Doch künftig reicht es nicht, wenn die Energie nur gesichert ist, sie muss auch klimafreundlich resp. -neutral sein. Besonders in der Industrie ist der künftige Einsatz von Wasserstoff-Technologien unabdingbar. Wird Wasserstoff durch erneuerbare Energien gewonnen, ist dies unbestritten umweltfreundlich. Die EU setzt jedenfalls auf „grünen“ Wasserstoff. Die Elektrolyse-Leistung soll bis 2024 auf 6 Gigawatt (GW) Leistung und bis 2030 auf 30 GW Leistung ausgebaut werden. EU-Energiekommissarin Kadri Simson schätzt, dass Wasserstoff 2050 13 bis 14 Prozent im EU-Energiemix ausmachen wird. Deutschland, Frankreich und Japan haben bereits eigene Wasserstoff-Strategien verabschiedet.

Eine Wasserstoff-Strategie nach deutschem Vorbild

Mit der Nationalen Wasserstoff-Strategie, die Deutschland bereits 2020 verabschiedet hat, schafft die deutsche Bundesregierung erstmals einen kohärenten Handlungsrahmen für einen Markt für Wasserstoff. Ziel ist es dabei, letztlich grünen Wasserstoff zu etablieren.

Um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in den nächsten Jahren anzustoßen, setzt die Strategie im Kern auf:

  • die Förderung von Innovationen für und Investitionen in nachhaltige Wasserstofflösungen,
  • die Schaffung geeigneter energiepolitischer und regulatorischer Rahmenbedingungen sowie
  • die CO2-Bepreisung.

Konkret enthält die Strategie dazu einen Aktionsplan mit einem breiten Mix von insgesamt 38 Maßnahmen. Unter anderem hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die drei Wasserstoff-Leitprojekte H2Giga, H2Mare und TransHyDE mit einem vorgesehenen Fördervolumen von insgesamt 740 Millionen Euro aufgelegt. Bis 2025 soll Deutschland so eine führende Rolle in den Wasserstofftechnologien einnehmen.

Das Leitprojekt H2Giga widmet sich der serienmäßigen Herstellung von Wasser-Elektrolyseuren

Das Leitprojekt H2Giga verschreibt sich der Entwicklung serieller Produktion von Elektrolyseuren – und das technologieoffen. Gemeinsam bringen etablierte Elektrolyseur-Hersteller, Zulieferer aus verschiedenen Technologiebereichen sowie Forschungseinrichtungen und Universitäten bestehende Elektrolyse-Technologien weiter voran, die dabei reif für das Fließband gemacht werden sollen. All diesen Verfahren ist gemein, dass sie Wasser mithilfe von erneuerbarem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff auftrennen – der Unterschied der Verfahren liegt in der Art, wie genau das geschieht.

Dabei sind die verschiedenen Elektrolyseur-Typen jeweils für spezielle Einsatzgebiete besonders geeignet. Deshalb wird die Entwicklung und Skalierung der einzelnen Technologien mit den Branchen abgestimmt, in denen sie anschließend zum Einsatz kommen. Zudem soll das Leitprojekt einen ständigen Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gewährleisten, wobei die Wirtschaft ihre Bedarfe und Wissenslücken an die Wissenschaft kommuniziert. So sollen zeitnah effiziente Produktionsverfahren entwickelt werden, die auch Aspekte wie Recycling und einen flexiblen Betrieb berücksichtigen. Flexibel bedeutet, dass Elektrolyseure möglichst schnell an- und ausgeschaltet werden können und dass sie auf unterschiedlichen Leistungsniveaus gefahren werden können.

Das Projekt H2Mare erforscht Möglichkeiten, Wasserstoff und seine Folgeprodukte direkt auf See mithilfe von Windrädern zu produzieren

Windenergieanlagen auf See erzeugen deutlich mehr und regelmäßiger Strom als ihre Pendants an Land. Dieses Potential will das Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare nutzen, indem es direkt auf See erneuerbaren Strom nutzt, um daraus Wasserstoff und Wasserstoff-Folgeprodukte herzustellen. Dabei wollen die zukünftigen Partner den Wasser-Elektrolyseur direkt in eine Windkraftanlage integrieren – und damit innovative Technologien bereitstellen, um offshore Grünen Wasserstoff zu erzeugen.

TransHyDE entwickelt, bewertet und demonstriert Technologien zum Wasserstoff-Transport

Das Leitprojekt TransHyDE will Transport-Technologien umfassend weiterentwickeln und zwar technologieoffen entlang verschiedener möglicher Entwicklungspfade. Genauer wird TransHyDE in vier Demonstrationsprojekte je eine Transport-Technologie testen und hochskalieren: Wasserstofftransport in Hochdruckbehältern, in bestehenden Gasleitungen, den Transport von in Ammoniak gebundenem Wasserstoff sowie den Wasserstofftransport mittels LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers). Damit all diese Technologien möglichst schnell Teil des Gesamtenergiesystems werden, will das Leitprojekt einen eigenen Roadmap-Prozess anstoßen.

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie zeigt Deutschland, wie mithilfe von Grünem Wasserstoff in Industrie, Verkehr und Energiesystem die Wettbewerbsfähigkeit erhalten, die Klimaschutzziele erreicht und neue Märkte erschlossen werden können. Sie verzahnt dabei Klima-, Energie-, Industrie- und Innovationspolitik. Die deutsche Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Deutschland zu einem globalen Vorreiter bei Grünem Wasserstoff zu machen und langfristig die Marktführerschaft bei Wasserstofftechnologien zu erlangen und zu sichern. Klimaschutztechnologien „made in Germany“ sollen zu einem neuen Markenzeichen werden: Deutsche Forschung und Unternehmen sollen zur Weltspitze bei Wasserstofftechnologien gehören.

Österreich hinkt hinterher, „Förderungen lächerlich gering“

Die Auftaktveranstaltung zur Österreichischen Wasserstoff-Strategie fand bereits im März 2019 statt. Vorausgegangen ist dem, dass die Bundesregierung am 22. November 2018 das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus beauftragt hat, die österreichische Wasserstoff-Strategie unter Vorsitz von ausgewählten Unternehmen zu erarbeiten. Zahlreiche Unternehmen, darunter auch die voestalpine, haben sich zur Mitarbeit bereit erklärt.

Für das Jahr 2020 wurde schließlich eine Wasserstoff-Strategie in Aussicht gestellt. Nach langem Warten soll sie nun kommen. Derzeit finden dem Vernehmen nach letzte Abstimmungsrunden statt, die gegenständliche Förderrichtlinie ist angeblich in Ausarbeitung. Laut Medienberichten gibt es insgesamt 125 Millionen Euro für ein bereits laufendes EU-Förderregime (IPCEI) für Wasserstoff. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sieht jährlich 40 Millionen Euro Förderung für Elektrolyse in geeigneten Sektoren vor. Mehr Förderungen sind nach jetzigem Stand nicht vorgesehen. Ohne staatliche Unterstützung sind Wasserstoff-Vorhaben allerdings nicht zu bewältigen. „Diese Förderungen sind lächerlich gering und zeugen nicht von Verständnis über die Dimension der Herausforderung“, kritisiert der Linzer Bürgermeister Klaus Luger.

„greentec steel“ der voestalpine

Die voestalpine hat die Weichen für eine umweltfreundlichere Stahlproduktion gestellt. Der Aufsichtsrat hat im März dieses Jahres die erste wichtige Entscheidung für den Umstieg von der kohlebasierten Hochofentechnologie auf die grünstrombetriebene Elektrolichtbogenofentechnologie getroffen. Mit „greentec steel“ hat die voestalpine einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt und ist bereits weitgehend startbereit. In der Finanzierung ist die voestalpine jedoch auf die Österreichische Bundesregierung angewiesen.

Ministerin Gewessler hat einen Dekarbonisierungsplan für die Industrie ebenfalls bereits 2020 angekündigt, laut einem Bericht des Magazins „Trend“ ist dieser in Erarbeitung und soll 300 Millionen Euro betragen. Das entspräche in Relation jenen 2,9 Milliarden Euro, die Deutschland seiner Industrie für Dekarbonisierung zur Verfügung stellt. Der Fonds könnte sich auch durch etwaige EU-Fördermittel kofinanzieren, denn die voestalpine hofft auf einen Erfolg bei einer neuerlichen Einreichung beim ETS-Innovationsfonds der EU.

Durch diese Technologieumstellung könnten die CO2-Emissionen signifikant um rund 30 Prozent gesenkt werden. Das entspricht laut dem Stahlproduzenten einer Einsparung von rund drei bis vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, dies entspräche beinahe fünf Prozent der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs.

 

„Was lange angekündigt und versprochen wurde, muss endlich umgesetzt werden, um den Anschluss bei der Entwicklung und Umsetzung von neuen Technologien in der Industrieproduktion nicht weiter zu verlieren“, so Bürgermeister Luger. „Die ansässige Industrie hat die Bereitschaft und die Voraussetzungen geschaffen. Die Mitarbeiter*innen verfügen über das notwendige Know-how. Kurzum: Alle sind startklar, nur die österreichische Bundesregierung kommt über den Status der Ankündigungen nicht hinweg“, sind sich Bürgermeister Luger, Fraktionsvorsitzender Giegler und Gemeinderat Baumann einig.

 

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