Städtische Schulsozialarbeit setzt auf Früherkennung
Etwa 900 Schüler*innen in Betreuung
Soziale Probleme haben sowohl auf die Lernbereitschaft als auch die weiteren Berufs- und Lebenschancen jedes Einzelnen massive Auswirkungen. Um diese zu bewältigen und die Kinder und Jugendlichen in ihrem Heranwachsen zu unterstützen, wurde Sozialarbeit an Schulen als präventiver sozialer Dienst etabliert.
An Linzer Pflichtschulen mit gesamt etwa 11.500 Schülerinnen und Schüler wird Schulsozialarbeit im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe angeboten. Die Sozialarbeiter*innen der Abteilung Jugendgesundheit und Schulsozialarbeit aus dem Geschäftsbereich Soziales, Jugend und Familie stehen als Ansprechpartner*innen für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen vor Ort bereit.
„Unser erklärtes Ziel städtischer Schulsozialarbeit ist es, Problemsituationen möglichst früh zu erkennen und individuelle Lösungen zu finden. Gemeinsam mit den Lehrer*innen in den Schulen gelingt es, Mädchen und Buben bestmöglich in ihrer Entwicklung zu begleiten“, betont Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Karin Hörzing.
Aktuell wird an 34 der öffentlichen Pflichtschulen in Linz Schulsozialarbeit direkt vor Ort angeboten. Konkret profitierten im Schuljahr 2022/2023 exakt 877 Schüler*innen und deren Umfeld vom niederschwelligen Angebot. Auch nicht direkt betreute öffent-liche Pflichtschulen in Linz haben die Möglichkeit, sich an die Schulsozialarbeit zu wenden.
Ziel der Schulsozialarbeit (SuSA) ist es, durch die regelmäßige Präsenz in den Schulen psychosoziale Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur individuellen Förderung der sozialen Integration der Kinder und Jugendlichen in ihrem Umfeld zu setzen. Das passiert derzeit an 34 von 56 öffentlichen Pflichtschulen (36 Volksschulen, 14 Neue Mittelschulen, zwei Polytechnische Schulen, vier Sonderschulen) in Linz.
Schuljahr 2022/2023: 877 Schülerinnen und Schüler in Betreuung
Derzeit zählt der Bereich der städtischen Schulsozialarbeit 14 Mitarbeiter*innen, die zum Großteil teilzeitbeschäftigt sind. Im vergangenen Schuljahr 2022/2023 haben sie exakt 877 der Linzer Pflichtschüler*innen begleitet und betreut. Davon besuchten 444 eine Volksschule, 328 eine Neue Mittelschule, 38 gingen in ein Polytechnikum und 67 in eine Sonderschule. Vor allem Buben und deren Familien – es waren 544 – nahmen das Schulsozialarbeit-Angebot in Anspruch.
Bei 336 Fällen dauerte die Betreuung weniger als zwei Monate. Um 342 Mädchen und Jungen nahmen sich die Sozialarbeiter*innen länger an. 199 Kinder und Jugendliche wurden über sechs Monate hinaus betreut. Bei 42 Schüler*innen reichte das Schulsozialarbeit-Angebot nicht aus. Für sie wurden unterstützende Erziehungshilfen in die Wege geleitet.
Breite Palette von Problemfeldern
Die Problemstellungen sind vielfältig. Sie reichen von Erziehungsüberforderung, Verhaltensauffälligkeiten der Schüler*innen, ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen, kulturellen und sprachlichen Integrationsproblemen, gesundheitlichen Problemen, familiären Konflikten und Krisen über Lernschwierigkeiten und Schulverweigerung bis hin zu Gewalt, Suchtmittelmissbrauch und Straffälligkeit.
Lernschwierigkeiten (40 Prozent), Erziehungsüberforderung (38 Prozent) und Verhaltensauffälligkeiten (36 Prozent) der Schüler*innen sind die Hauptproblemfelder. Gefolgt von Schulverweigerung, Schulabsentismus bzw. Suspendierung der Schüler*innen (23 Prozent) sowie Fällen, in denen die Schulsozialarbeiter*innen mit der Beratung von Kindern und deren Eltern wegen Gewalt in der Familie oder familiären Konflikten (19 Prozent) befasst sind (Mehrfachnennungen).
Es erfordert viel Zeit und Einfühlungsvermögen, das Vertrauen der Eltern, der Schüler*innen und der Lehrer*innen zu gewinnen. Für eine erfolgreiche Betreuung sind Schulsozialarbeiter*innen im Einsatz, die einerseits gut ausgebildet sind, andererseits mit viel Empathie, Geduld, Zuversicht und Freude ihre Aufgabe wahrnehmen.
SuSA berät, begleitet, zeigt bestehende Ressourcen auf, nutzt diese und unterstützt damit effizient. Im Falle einer Gefährdung des Kindeswohls wird mit den zuständigen Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe kooperiert.
Für alle das passende Angebot
Zielgruppe für die Schulsozialarbeit sind Schüler*innen mit einem zusätzlichen Unterstützungsbedarf, der im Rahmen der schulischen Förderung nicht abgedeckt werden kann. Weiters Schüler*innen, die von ihrer Familie bei der Bewältigung der täglichen Anforderungen nicht ausreichend unterstützt werden. Auch Erziehungspersonen, die Beratung und Hilfe in der Pflege und Erziehung ihrer Kinder benötigen und Pädagog*innen, die sich Sorgen um das Wohl einer Schülerin oder eines Schülers machen, können Schulsozialarbeit in Anspruch nehmen.
Am häufigsten wird SuSA durch Lehrer*innen beziehungsweise Schulleiter*innen beauftragt. Im Schuljahr 2022/2023 traf dies auf 78 Prozent aller Fälle zu. In allen anderen Fällen kontaktieren die Schüler*innen, die Eltern oder sonstige Personen, die sich Sorgen um eine/n Schüler*in machten, die Schulsozialarbeit.
Das Tätigkeitsfeld umfasst präventive, begleitende und aufsuchende Sozialarbeit sowie Krisenintervention. Gleichzeitig sind die SuSA-Mitarbeiter*innen gut mit internen und externen Hilfsangeboten vernetzt.
„Die Schule ist nicht nur ein Ort des Wissenserwerbes, sondern nimmt vermehrt erzieherische und persönlichkeitsbildende Aufgaben wahr. Deshalb ist die Schule für Kinder und Jugendliche ein enorm wichtiger Lebensbereich“, erklärt Sozialreferentin Karin Hörzing.
Linz in der Vorreiterrolle
In der Landeshauptstadt wird die Schulsozialarbeit bereits seit den 90er Jahren eingesetzt. Sie hat sich mit dem schulärztlichen Dienst entwickelt und bietet in Kooperation mit dem System Schule sehr gute soziale und auch gesundheitliche Beratungsangebote im präventiven Bereich. Hervorzuheben ist die fachliche Qualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch die Jahrzehnte dauernde Praxis und kontinuierliche Fortbildung und Supervision erreicht wurde. Hinzu kommt, dass die Schulsozialarbeit und der schulärztliche Dienst in einer Abteilung tätig sind. Durch die damit mögliche enge Kooperation wird nicht nur eine hohe fachliche Kompetenz, sondern ein vernetztes Zusammenarbeiten zur bestmöglichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ermöglicht.
„Schulsozialarbeit wird von Eltern, Pädagog*innen und Schüler*innen gerne in Anspruch genommen. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiter*innen für ihre Tätigkeit und ihr herausragendes Engagement für die Linzer Kinder und Familien“, sagt Vizebürgermeisterin Hörzing
Beispiele für Schulsozialarbeit
Fall1: F. besucht die Deutschförderklasse einer Volksschule. Er ist mit seiner Familie aus der Ukraine nach Österreich geflohen. Die Klassenlehrerin bemerkt bald, dass F. Schwierigkeiten hat, sich im Schulalltag zurecht zu finden. Neben sprachlichen Defiziten, auch in der Muttersprache, fällt auf, dass er andere Kinder ablehnt und auch bei Überforderungen zu Ticks (Laute geben, Klopfen,…) neigt. Die Mutter zeigte sich sehr kooperativ. Die Schulsozialarbeiterin wurde eingebunden, suchte das Gespräch zur Familie. Beim Anamnesegespräch mit der Mutter stellte sich heraus, dass F. in der Ukraine bereits speziellere Förderungen erhielt, welche die Mutter auch gerne in Österreich wieder in Anspruch nehmen würde. Durch das zuvor aufgebaute Vertrauen zur Schulsozialarbeit begleitete diese die Familie zu Abklärungsterminen ins Krankenhaus und Psychologen. Dadurch konnte F. in der Klasse bleiben und bekam in der Schule einen Integrationsplatz, wodurch spezielle Fördermaßnahmen möglich sind. Diverse Therapienagebote (Logopädie, Ergotherapie) wurden von der Schulsozialarbeiterin organisiert und die Mutter zu Anmeldegesprächen begleitet. Die Mutter fasste viel Vertrauen und es wurden auch die schwierigen finanziellen Verhältnisse besprochen und gemeinsam Anträge für Förderungen gestellt. Mittlerweile ist F. aufgrund intensiver Förderung der zweiten Lehrkraft gut in die Klasse integriert. Die Eltern haben sich gut eingelebt – die Mutter fand einen Vollzeitjob und der Vater besucht derzeit noch einen Deutschkurs.
Fall 2: J. besuchte die erste Klasse Volksschule. Bei der schulärztlichen Untersuchung fiel auf, dass der Junge schlecht sieht und dringend eine augenärztliche Abklärung braucht. Die Eltern waren für die Lehrerin und die Schulärztin nicht erreichbar. Die Schulsozialarbeiterin wurde eingebunden. Sie suchte die Familie zuhause auf. Die Mutter konnte kaum Deutsch und so wurde ein neuer Termin mit einem Dolmetscher organisiert. Mit Hilfe des Dolmetschers wurde eine soziale Anamnese gemacht. Die fehlende Brille war nur ein Teil der sozialen Problemlage. Ein Optiker spendete nach Schilderung der Situation die dringend benötigte Brille. Da der Junge jetzt sein Handikap verloren hatte, wurde er auch sportbegeistert und verlor einiges an Gewicht. Er war plötzlich besser integriert und machte große Fortschritte im Lernen. Die Mutter fasste Vertrauen und bei einem weiteren Termin wurden die schwierigen finanziellen Verhältnisse besprochen, die Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt und der Schuldenstand erhoben. Die Sozialarbeiterin begleitete die Eltern zur Schuldnerhilfe, um einen Finanzierungsplan zu erstellen. Die Eltern schafften es, ihre finanzielle Situation in den Griff zu bekommen. Die Betreuung endete mit der 3. Klasse Volksschule. J. hat mittlerweile die Schule abgeschlossen und macht eine Lehre als Einzelhandelskaufmann.
Fall 3: M. besuchte eine polytechnische Schule in Linz. Die Lehrerin meldete dem Schulsozialarbeiter ihr häufiges Fernbleiben. Ihre schulischen Leistungen waren schwach, sie wirkte uninteressiert und unaufmerksam. Da sie die Schulpflicht bereits beendet hatte, war von der Schule eine Abmeldung angedacht worden. Der Schulsozialarbeiter suchte das Gespräch mit dem Mädchen, um die soziale und familiäre Situation abzuklären. M. gab an, dass sie die Schule nicht interessiere. M. fühlt sich oft anders und ist wütend, weil sie keiner versteht. In Hausbesuchen und einigen Gesprächen konnte Vertrauen zwischen M., ihren Eltern und dem Sozialarbeiter aufgebaut werden und gemeinsam mit der Schule, der Schülerin und den Eltern wurde ein Plan erarbeitet, der es möglich machte das Versäumte nachzuholen. M. und auch M.s Eltern nutzten das Gesprächsangebot der Schulsozialarbeit regelmäßig, um über ihre Gefühle, Sorgen und Ängste zu sprechen. In kleinen Schritten wurde M. zunehmend kooperativer, aktiver und integrierte sich besser in den Klassenverband. Es gab auch Tage die nicht gut liefen, aber die so richtig schlechte Tage wurden weniger. Mit dem Austritt aus der Schule endete die Betreuung. Die Mutter suchte noch einmal wegen einer Frage den Schulsozialarbeiter auf und berichtete, dass M. eine Lehrstelle gefunden hat.