Linz-Geschichte(n)

Wie stiehlt man eine Bergbahn?

Linz Legenden

29. Mai 1898. Die Pöstlingbergbahn wird feierlich eröffnet. Eine Weltsensation! Denn sie ist die steilste Bergbahn der Welt ohne Zahnradantrieb. Und fährt elektrisch! Wer nicht gefeiert wird, ist ihr Erfinder.

Josef Urbanski (1846-1903), Ingenieur aus Galizien, hatte 1889 einen Posten in der Betriebsleitung der Kremstalbahn angetreten und war dafür mit seiner Frau nach Linz gezogen. Manchmal braucht es vielleicht den frischen Blick des Neuankömmlings, um ein Potenzial zu sehen und eine Idee zu entwickeln. Und die hatte er bereits zwei Jahre nach seiner Ankunft.

Ab auf den Berg – mit Volldampf?

Als erfahrener Spezialist für Straßen und Bahnstrecken machte Urbanski gleich Nägel mit Köpfen: Er beantragte beim k. k. Handelsministerium die Bewilligung von Vorarbeiten – für eine dampfbetriebene Zahnradbahn auf den Pöstlingberg! Die Stadt Urfahr unter Bürgermeister Josef Kaar, die von der Bezirkshauptmannschaft Linz zur Stellungnahme aufgefordert worden war, begrüßte das Projekt ausdrücklich „mit dem Wunsche, dasselbe möge zur baldigsten Ausführung gelangen.“ Auch die betroffenen Bürger*innen von Urfahr und Pöstlingberg, der Linzer Bürgermeister Johann Wimhölzel und der Bezirkshauptmann teilten der k. k. Statthalterei mit, dass einer solchen Bahn „das lebhafteste Interesse entgegengebracht“ würde. Josef Urbanski konnte die Kosten für die Trassierung zwar nicht selber tragen, fand dafür jedoch einen Geldgeber, womit es losgehen konnte. Am 28. März 1892 gab das Ministerium grünes Licht. Urbanski hatte die als extrem schwerfällig verschrieene habsburgische Bürokratie in nicht einmal einem halben Jahr bewältigt! Was sollte jetzt noch schief gehen?

Ausgetrickst und ausgebootet

Was hat meistens zum berüchtigten „österreichischen Erfinderschicksal“ geführt, das zukunftsträchtige Ideen und große Karrieren verhinderte? Das liebe Geld natürlich – beziehungsweise dessen Mangel. Urbanski fand weder öffentliche noch private Investoren. Der Urfahraner Gemeinderat versprach lediglich einen nebulösen, unbezifferten „Beitrag“, der freilich erst mit Baubeginn ausgezahlt werde. Urbanski war gescheitert. Bis der Linzer Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Carl Beurle die Wiener Baufirma Ritschl & Companie als Partner auftat. Alsbald trat ein „Actions-Comité“ auf den Plan, dass die Finanzierung sichern sollte. Doch wieder alles paletti? Mitnichten. Denn im Frühjahr 1894 wurde beim Ministerium zur Genehmigung des Alternativprojektes einer „electrischen Adhäsionsbahn“ mit derselben Spurweite wie der Linzer Straßenbahn nachgesucht. Als ein Jahr später ihre Komissionierung als genau solche elektrische Bahn erfolgte, war Urbanski nicht mehr dabei. Was war geschehen? Das lässt sich zwar nicht genau belegen, aber leicht erraten. 1894 hatte es noch gar kein Kraftwerk für elektrischen Strom in Linz gegeben! Die Pöstlingbergbahn elektrisch zu betreiben und mit der ebenso elektrisch umzustellenden Linzer Pferdetramway zu vereinigen, konnte nur die Idee von jemanden sein, der voll auf Strom setzte – und diesen finanziell wie technisch auch ermöglichen konnte. Und das war das erst 1896 offiziell gegründete „Consortium für die Errichtung electrischer Anlagen in Linz“. Freilich war dieses keine städtische Einrichtung, sondern ein privater Zusammenschluss von Unternehmen und reichen Investoren. Mit ihrem Anwalt: Dr. Carl Beurle.

Abgespeist und abgereist

Wehrte sich Josef Urbanski gegen die Ausbootung aus dem Herzensprojekt, das seine Idee war? Natürlich. In einem Urheberrechtsprozess musste Urbanski gegen seinen eigenen Nachfolger als technischen Planer, dem Oberingenieur von Ritschl & Co, Hermann Danner, antreten: Der vor Gericht vertreten wurde von: Dr. Carl Beurle, übrigens auch deutschnationaler Linzer Gemeinderat und Landtagsabgeordneter. Urbanski verlor nicht überraschend. Ritschl & Co trat dem Consortium bei, bekam den exklusiven Zuschlag zum Bau der Pöstlingbergbahn und war auch an den Elektrifizierungsarbeiten der Linzer Straßenbahn beteiligt. Josef Urbanski dagegen blieb nichts anderes mehr, als die Gemeinde Urfahr an ihren versprochenen „Beitrag“ zu seinen Planungskosten zu erinnern, die er auf ca. 1800 Gulden berechnet hatte. Er bekam 100 – als „Anerkennungsprämie“. Heute sind das keine 1.500 Euro! Enttäuscht, verbittert, unbedankt und unterbezahlt verließ Josef Urbanski Linz, um niemals zurückzukehren. Der Eröffnung der Pöstlingbergbahn am Pfingstsonntag des Jahres 1898 konnte und wollte er nicht beiwohnen. Den Betrieb der Bahn übernahm als Nachfolgerin des Consortiums die „Tramway- und Elektrictätsgesellschaft Linz-Urfahr“ (TEG). Man kann sich denken, wer deren erster Präsident war: Dr. Carl Beurle. Doch nahm dieser Ausbund des Raubtierkapitalismus ein gutes Ende, denn aus der TEG wurde die ESG. Und aus dieser die Linz AG – heute zu 100% im Besitz der Stadt.

Und Josef Urbanski? Trotz des Versuches ihn totzuschweigen, wurde er wiederentdeckt und von der Stadt Linz für seine Verdienste um die Bergbahn geehrt. Mit einer Gedenktafel an einem seiner Linzer Wohnsitze – und der 1965 nach ihm benannten Urbanskistraße. Natürlich am Pöstlingberg.

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