Linz-Geschichte(n)
Pfarrkirche St. Michael: Die Kirche, die ihre Existenz dem Stahlwerk verdankt

Wer die Geschichte der Kirche St. Michael am Bindermichl nicht genau kennt, wird sie aufgrund ihrer Optik wahrscheinlich in die 1960er oder 70er verorten. Tatsächlich wurde sie jedoch schon 1957 eingeweiht und ist damit die erste moderne Kirche, die nach der NS-Zeit in Linz geplant und gebaut wurde. Und das ist nicht ihre einzige Besonderheit. Sie ist quasi die sakrale Verkörperung der Stahlstadt Linz – und das in vielerlei Hinsicht.
Da ist einmal ihr Standort. Der Stadtteil Bindermichl existierte vor dem 2. Weltkrieg noch gar nicht. Was es an dieser Stelle gab, war ein Bauerngut mit dem Hofnamen „Binder-Michl“. Dieser geht auf den Bindergesellen Michael Traunfellner zurück, der den Hof 1806 erwarb. Die Reichswerke Hermann Göring, die heute die voestalpine sind, machten 1941 mit der landwirtschaftlichen Idylle kurzerhand per Enteignung Schluss, um ebendort sowie am Spallerhof und im Keferfeld bis 1943 mehr als 1.000 Wohnungen für ihre Arbeiter zu errichten. Diese „Hitler-Bauten“ prägen bekanntlich bis heute das Bild des Bindermichl und auch wenn nicht mehr nur Werksangehörige dort wohnen, ist ihr Anteil nach wie vor hoch. Eine Kirche für den neuen Stadtteil errichteten die Nazis nicht, mit Religion hatten sie es nicht so.
Der Impuls zur Errichtung einer Seelsorgestation ging unmittelbar nach dem Krieg dennoch wieder vom Werk aus – von den neuen Direktoren der ebenso neuen VÖEST. Bereits im Dezember 1945 wurde an der Uhlandgasse in nur drei Wochen Bauzeit eine Holzbaracke errichtet, die bis 1957 als vorläufige „Notkirche“ diente. Worin am Heiligen Abend 1945 rund 800 Bindermichlerinnen und Bindermichler die erste Christmette in ihrem Stadtteil feierten. Der von der Diözese eingesetzte Pfarrkurat Josef Mayr begann darauf sofort, sich für den Bau einer „richtigen“ Kirche einzusetzen und Geld zu sammeln. Verwirklichen konnte er seinen Traum – und auch jenen, der erste Bindermichler Pfarrer zu werden – abermals mit der Hilfe der VÖEST. Sie unterstützte Mayr nicht nur bei der Suche nach einem Baugrund und stellte mit DI Fritz Reischl einen Architekten aus ihrer Belegschaft, sondern spendete auch das Baumaterial: Stahl und Schüttbeton.
Am 19. Juli 1954 wurde der Spatenstich gesetzt, am 29. September 1957 wurde das fertige Bauwerk von Bischof Franz Zauner geweiht. Das Echo war so überwältigend wie zwiespältig. Während die Kirche einerseits nicht zuletzt durch das 300 Meter lange Glasfries mit biblischen Motiven der Malerin und Glaskünstlerin Lydia Roppolt auf großes Interesse in der Kunstwelt stieß, schimpften andere über „Gotteslästerung“. Heute ist man sich weitgehend einig, dass die in den 1980ern und 90ern sanierte Kirche gerade für ihre Errichtungszeit ein herausragendes Bauwerk ist. Seit 2009 steht sie unter Denkmalschutz.
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