
8. Juni 1493. Wundarzt Hans Seyff aus Göppingen bereitet sich in der Linzer Burg auf eine sehr spezielle Operation vor. Er soll einer berühmten Persönlichkeit das linke Bein amputieren – und zwar niemand geringerem als Kaiser Friedrich III.
Obwohl in württembergischer Leibeigenschaft geboren, sollte Seyff zu einem der führenden Chirurgen seiner Zeit aufsteigen. Dass der 78-jährige Kaiser, der nach moderner Diagnose an Arteriosklerose erkrankt war, nach ihm gerufen hatte um die Operation zusammen mit sechs ebenso herausragenden Kollegen vorzunehmen, unterstreicht sein hohes Ansehen. Und Seyff, der persönlich zur Knochensäge griff, enttäuschte nicht. Die Operation verlief erfolgreich und wurde dank seines Berichtes zum medizinhistorisch berühmtesten und am besten dokumentierten chirurgischen Eingriff des gesamten europäischen Mittelalters. Nur – starb der Kaiser zwei Monate später! Darüber, ob die Ursachen Folgewirkungen des Eingriffs oder sein für die damaligen Verhältnisse extrem hohes Alter waren, lässt sich heute nur spekulieren. Der von seinen Ärzten auch vermutete „ruhrartige Durchfall aufgrund des Genusses unreifer Melonen“ lässt sich wohl eher ausschließen.
„Reichshauptstadt“ Linz – das primitive Provinzkaff?
Doch warum operierten Seyff und Kollegen in der Linzer Burg, der Vorgängerin des Linzer Schlosses am gleichen Standort? Kaiser Friedrich III. (1415-1493) hatte Linz zu seinem Alterssitz gemacht, womit für ein paar wenige Jahre unsere Stadt die größte Bedeutung in ihrer gesamten Geschichte erlangte – als de facto Zentrum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation! Das war Fluch und Segen zugleich. Denn obwohl die Eliten des Reiches samt ausländischen Diplomaten, Wissenschaftlern und Klerikern nach Linz eilten, machten sie sich dann dort umso lautstarker über die Kleinstadt, die Linz damals noch war, lustig. Insbesondere sollen italienische Künstler, die mit zeitgenössischen Kalibern wie Leonardo da Vinci oder Michelangelo auf Du und Du waren, die Höhen der heimischen Renaissance in den Niederungen dieses rückständigen „Kaffs“ an der Donau besonders schmerzlich vermisst haben.
Dein ist mein ganzes Herz
Mit dem Tod des Kaisers war auch die kurzzeitige Wichtigkeit von Linz wieder Geschichte. Selbstverständlich wurde sein Leichnam in den Wiener Stephansdom überführt, wo dessen Beisetzung am 6. und 7. Dezember 1493 stattfand. Zuvor jedoch wurden Herz und Eingeweide Friedrichs in der Linzer Stadtpfarrkirche eingemauert, Diese sogenannte „getrennte Bestattung“ erhielten damals nur Super-VIPs, also Päpste, Kaiser, Könige, hochgestellte Adelige und angesehene Künstler und hatte vor allem einen praktischen Zweck. Das Verfahren diente der Leichenkonservierung, da wie im Fall Kaiser Friedrichs auch durch langwierige Überführungen per Kutsche vom Sterbeort zur vorab festgelegten Promi-Grabstätte viel Zeit verging.
Ab 1855 machte das die Entdeckung des Formaldehyds unnötig. So war der Vater von Kaiser Franz Joseph I., Erzherzog Franz Karl, der letzte Habsburger, nach dessen Tod die Eingeweide entfernt wurden. Auch wenn das Linzer Museum Francisco Carolinum seinen Namen trägt – seine Gebeine wie Innereien ruhen standesgemäß in der Wiener Kapuzinergruft. Natürlich getrennt voneinander.
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