Nike von Linz: Die Göttin, die der größte Kunstskandal Oberösterreichs war
1977 löste die „Nike von Linz“ einen der größten Kunstskandale Oberösterreichs aus. Als Nachbildung einer antiken Statue sollte sie das Wahrzeichen der jungen Kunsthochschule werden, doch das Kunstwerk stieß auf so heftige Ablehnung, dass es nach nur zwei Jahren wieder verschwand. Doch die Geschichte dieser Skulptur ist nicht zu Ende – sie kehrte 2016 zurück und sorgt noch immer für Gesprächsstoff.
Während einige Linzerinnen und Linzer der Hitler-Aphrodite im Bauernbergpark recht zugetan waren, stieß die Skulptur einer anderen griechischen Göttin auf heftige Ablehnung. Die sogenannte „Nike von Linz“ – Nachbildung einer kopflosen antiken Statue, der „Nike von Samothrake“, die sich im Pariser Louvre befindet – schaffte es sogar, den größten OÖ Kunstskandal der Nachkriegszeit auszulösen.
Und das kam so: Die heutige Kunstuniversität war 1973 als Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung im Brückenkopfgebäude West gegründet worden. 1977 trat mit dem „forum metall“ eine Künstler-Gruppe auf den Plan, die in jenem Jahr eine Ausstellung metallener Großplastiken im Donaupark vorbereitete. Diese stehen bekanntlich heute noch. Die Nike sollte nun einerseits als Vorbote und Werbung für das forum fungieren, andererseits der blutjungen Kunsthochschule ein Kenn- und Wahrzeichen verleihen. Und so wurde das 500 Kilo schwere Kunstwerk aus Aluminium auf einem Träger aus Stahl-Gitterrohr weithin sichbar in luftiger Höhe montiert.
„Geldverschwendung! Verschandelung des Hauptplatzes! Fetzenvogel! Fledermaus!“
„Geldverschwendung! Verschandelung des Hauptplatzes! Fetzenvogel! Fledermaus!“ waren darauf noch die harmlosesten Beschimpfungen, die sich nun über die Verantwortlichen, allen voran Bürgermeister Franz Hillinger (1921-1991), ergossen. Und das noch ganz ohne soziale Medien. 27 Monate hielt Hillinger durch, nachdem aber auch andere Parteien, insbesondere die ÖVP, auf den Aufschrei aufgesprungen waren, beugte er sich und ließ die Nike in einer Nacht- und Nebelaktion wieder entfernen. Alle Proteste dagegen halfen nichts.
Demontage, Übersiedelung nach Frankfurt, späte Rückkehr nach Linz
Nach ihrer Demontage wurde die Skulptur nach Frankfurt gebracht, um sie im dortigen Deutschen Architekturmuseum auszustellen. Was aber nie geschah. Stattdessen verrostete sie langsam am Bauhof der Main-Metropole. Bis 2016. Im Rahmen des Höhenrausch-Projekts „Andere Engel“ wurde sie nach Linz zurückgeholt und an die Ursulinenkirche montiert. Diesmal unter Applaus. Mit Ende der Engel-Ausstellung übersiedelte sie zurück an die Linzer Kunstuniversität – nur an ihren anderen Standort: der alten Hauptpost.
Somit lautet seit 21. Oktober 2016 die aktuelle Adresse der Nike auf Domgasse 1. Übrigens blieb ein ganz außergewöhnliches Zeitdokument über diese Linzer Kontroverse erhalten. Der Wiener Liedermacher Sigi Maron (1944-2016) war 1979 bei der Demonstration gegen die Abmontage der Nike am Hauptplatz vor Ort, ließ ein Tonbandgerät dabei laufen und presste fünf Minuten des Mitschnitts – quasi als „Bonus-Track“ – auf seine 1980 erschienene LP „sonst gar nichts“. Sein Rededuell mit einem Polizisten, spontane Schmäh-Gedichte auf damalige Politiker und natürlich der mit Inbrunst von den Demonstranten mitgesungene Maron-Hit „Leckts mi am Oasch“ sind dabei ein ebenso historisch interessanes wie höchst vergnügliches Zeugnis sehr österreichischer Protestkultur.