
2. Dezember 1805. Kaiser Napoleon besiegt Österreich in der Schlacht von Austerlitz. Im von Bayern und Franzosen besetzten Innsbruck packt die Äbtissin des Adeligen Damenstiftes eiligst die Koffer. Die Flucht führt nach Wien – und endet in Linz.
Die 62-Jährige tut gut daran, den Truppen des Herrschers von Frankreich am Höhepunkt seiner Macht zu entgehen. Sie ist eine der Tanten des österreichischen Kaisers Franz I. und war unter dem Namen Erzherzogin Maria Elisabeth (1743-1808) als sechstes der 16 Kinder von Kaiserin Maria Theresia geboren worden. In Ihrer Jugend wurde sie als die schönste der habsburgischen Prinzessinnen betrachtet. Dass sie damit einen König heiraten und selber Königin werden würde, erschien damit für den ganzen europäischen Hochadel so sicher wie das Amen im Gebet. Tatsächlich hatte ihre Mutter bereits frühzeitig den künftigen Bräutigam mit dem französischen König Ludwig XV. ausgesucht. Doch daraus wurde nichts! Statt Maria Elisabeth heiratete ihre jüngste Schwester Maria Antonia den König von Frankreich. Und auch erst den nächsten, also Ludwig XVI. Um dann mit diesem unter dem Namen Marie-Antoinette ihren Kopf unter dem Fallbeil der französischen Revolution zu verlieren. Was war mit Maria Elisabeth geschehen?
Entstellt, verschmäht, rausgeschmissen
Auch wenn sie angeblich von Gott gesalbt waren, hatten die Habsburger mit ebenso menschlichen Problemen zu kämpfen wie gewöhnliche Sterbliche. Sehr wesentliche waren Krankheiten – wobei wir jetzt gar nicht von den genetischen Defekten reden, die das Heiraten unter Cousins und Cousinen mit sich bringen kann. In Maria Elisabeths Fall waren es die Pocken, die tiefe Spuren nicht nur im Gesicht der damals erst 24-Jährigen hinterließen und die mit der begehrtesten Partie Europas ein grausames Ende machten. Sie heiratete nicht nur keinen König mehr, sondern überhaupt niemanden! Zur alten Jungfer verdammt, wurde sie zudem nach dem Tod ihrer Mutter Maria Theresia von ihrem ältesten Bruder und Thronfolger Kaiser Joseph II. mitsamt ihren ebenso ehelos verbliebenen Schwestern aus Schloss Schönbrunn geworfen. Der Kaiser war der „Weiberwirtschaft“, wie er sich ausdrückte, überdrüssig.
Die Tante mit der scharfen Zunge
In dieser Situation konnte sich Maria Elisabeth noch glücklich schätzen, anschließend von ihrem kaiserlichen Bruder als Äbtissin des Adeligen Damenstifts in Innsbruck eingesetzt zu werden. Denn das Stift, das Maria Theresia nach dem Tod ihres Gatten Kaiser Franz I. Stephan 1765 selbst gegründet hatte, damit dort für sein Seelenheil gebetet werde, war ein weltliches. Eine Verbannung hinter Klostermauern kann dieser Transfer in die Grafschaft Tirol also nicht genannt werden. Vom Wirken Maria Elisabeths dort ist überliefert, dass sie sowohl am gesellschaftlichen Leben in vollen Zügen teilnahm wie auch durch ihre scharfe Zunge gefürchtet war. Diese Umstände und ihr gesamtes Schicksal lassen damit nicht überraschend vermuten, dass sie zum Zynismus neigte.
Erster Aufzug zum letzten Abschnitt
Womit wir wieder im Jahr 1805, Napoleon Bonaparte und einem bevorstehenden Tiroler Volksaufstand unter einem gewissen Gastwirt namens Andreas Hofer wären. Im Tohuwabohu der Kriegsniederlage, die den Habsburgern ein Sechstel ihres damaligen Territoriums kostete, fand sich kein Platz für eine obskure alte Verwandte. Kaiser Franz I. hatte andere Probleme. Also mussten sich rangniedere Adelige erbarmen. Was in Person von Heinrich Graf Khevenhüller auch geschah, der Maria Elisabeth in sein gerade fertiggestelltes Haus in Linz einlud. 1800 hatte ein großes Feuer einen großen Teil der Linzer Altstadt vernichtet. Das Freihaus an der heutigen Adresse Altstadt 30 war somit im Wortsinn brandneu. Es ist heute im Besitz des Landes OÖ und beherbergt unter anderem die Büros von zwei Landesräten. Und natürlich einen Aufzug. Das Besondere ist, dass es schon damals einen gab, womit er womöglich der erste Lift in Österreich überhaupt war! Und wer hatte sich den einbauen lassen? Erzherzogin Maria Elisabeth, die im Alter eine starke Korpulenz aufwies, schlicht keine Treppen mehr steigen konnte und ob ihres dreifachen Kropfes im Linzer Volksmund „Kropferte Liesl“ genannt wurde. Ihre allerletzte Station liegt auch in Linz. Es ist die Gruft des Alten Doms.
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wenn du relevante Informationen zu diesem Artikel hast, schick sie uns doch per Mail!



