Die Beethoven-Nichte, die indirekt einen Weltkonzern gründete
Im Oktober 1812 reiste Ludwig van Beethoven nach Linz, um die Hochzeit seines Bruders Nikolaus Johann mit dessen Haushälterin Therese Obermayr zu verhindern. Trotz seines Einflusses blieb sein Vorhaben erfolglos, und die Verbindung hatte weitreichende Folgen, die bis in die heutige Wirtschaftsgeschichte reichen.
Wir schreiben das Jahr des Herrn 1812. Eine Postkutsche macht sich von Wien nach Linz auf. In ihr sitzt wutschnaubend ein Fahrgast, der wild entschlossen ist, eine Hochzeit zu verhindern und bereit ist, dafür auch zu Landeshauptmann und Bischof zu gehen. Werden ihn diese überhaupt empfangen? Mit Sicherheit. Denn der Mann ist der berühmte Komponist Ludwig van Beethoven (1770-1827) und die Hochzeit ist die seines Bruders Nikolaus Johann van Beethoven (1776-1848) – Besitzer der Wasser-Apotheke am Linzer Hauptplatz – mit dessen Haushälterin Therese Obermayr.
Vaterersatz-Rolle schon im Jugendalter
Als wenn das nicht schockierend genug wäre – Therese hat auch noch ein lediges Kind, ein Mädchen namens Amalia! „Unsichtbar schwebe ich um Dich, damit die Kanaille Dir nicht den Hals umdreht“, hatte Ludwig seinem Bruder geschrieben und ihn vor der „ganzen Zunft der schlechten Weiber“ gewarnt. Ausgerechnet er, der in Sachen Beziehungen über das Liebesklagen an eine bis heute unbekannte „unsterbliche Geliebte“ nie hinauskam, sollte nicht nur diese Schwägerin abgrundtief hassen sondern auch noch seine andere, Frau seines zweiten Bruders Kaspar Anton Karl van Beethoven (1774-1815).
Da die Eltern früh gestorben waren und Ludwig schon als Jugendlicher in eine Vaterersatz-Rolle gedrängt worden war, meinte er zeit seines Lebens seine jüngeren Brüder vor „Hexen“ beschützen zu müssen – und übertrieb dabei mitunter maßlos. Wie eben im Oktober 1812. Der einzige Besuch Ludwig van Beethovens in Linz blieb jedoch trotz versuchter Intervention bei der Obrigkeit erfolglos und Johann heiratetete Therese am 8. November 1812. Damit wurde auch ihre Tochter ein Teil der Familie van Beethoven. Sehr zum Missvergnügen von Onkel Ludwig, der seine Stiefnichte als „Bastard“ und „Bankert“ titulierte.
Verbindung mit weitreichenden Folgen
Da Stiefvater Johann in nur knapp zehn Jahren außerordentlichen geschäftlichen Erfolg mit seinen Apotheken – er gründete auch die erste Apotheke in Urfahr – gehabt hatte, wurde die einst arm und außerehelich geborene Amalia eine reiche Erbin – und das sollte sich noch auswirken. Am 11. Februar 1830 heiratete sie den aus dem Böhmerwald stammenden Forstbeamten Carl Anton Stölzle (1802-1865), starb aber tragischerweise nur ein Jahr später, wahrscheinlich an den Folgen von Komplikationen der Geburt ihres ersten Kindes.
Ihr verbliebener Witwer Carl, nun seinerseits Erbe der beträchtlichen Mitgift, pachtete 1835 mit diesem Geld zwei Glashütten und legte damit den Grundstein für ein Unternehmen, das heute die Stoelzle Glasgruppe mit Hauptquartier in Köflach ist. Es beschäftigt über 3.000 Mitarbeiter*innen an Produktionsstandorten in sieben Ländern.
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