Bildung & Kultur

Sounding Linz: Die völlig andere Linzer Klangwolke 2020

Start zu ungewöhnlichen neuen Formaten war bereits am 9. Juli

War’s das schon mit Corona? Niemand weiß es. Weil in dieser Situation die Gesundheit des Publikums oberste Priorität hat, ist heuer nicht an eine Linzer Klangwolke im gewohnten Format mit mehr als 100.000 Menschen im Donaupark und großem Abschlussfeuerwerk zu denken. Dennoch nimmt die LIVA entschlossen die Herausforderung an, eine Klangwolke zu kreieren, die sich auch unter den gegenwärtigen Umständen realisieren lässt und kreativ mit den ungewohnten Gegebenheiten umgeht.

Peter Androsch, Sam Auinger, Wolfgang „Fadi“ Dorninger und Gitti Vasicek – vom Klangwolken-Veranstalter LIVA mit der „situationskompatiblen“ Konzeption und Inszenierung betraut – sehen in einer solchen „alternativen“ Klangwolke eine große Chance. Die Chance nämlich, zu den Wurzeln der Klangwolke zurückzukehren und die BewohnerInnen von Linz einzuladen, ihre Stadt und ihren Lebensraum neu zu (er-)hören.

1979: Die Stadt hört Bruckner

Die erste Klangwolke 1979 – der blutjunge Sam Auinger wirkte als Assistent mit – war etwas, das in der Kunst als „soziale Skulptur“ bezeichnet wird: ORF Radio Oberösterreich übertrug eine Aufnahme von Anton Bruckners 8. Sinfonie, und die LinzerInnen folgten zu Tausenden dem Aufruf, ihre Radiogeräte ins offene Fenster zu stellen und die Musik zusammen mit überall in der Stadt platzierten Soundsystemen als „Klangwolke“ in den Abendhimmel aufsteigen zu lassen. Sonst: kaum Show und kaum Effekte. Die Folge: Die Stahlstadt Linz entdeckte sich als Kulturstadt. So wie Anton Bruckner hier in Vergangenheit und Zukunft zugleich schaut und hört, gestalten Androsch, Auinger, Dorninger und Vasicek mit der Linzer Klangwolke 2020 sowohl eine Reverenz an epochemachende Klangwolken der letzten 41 Jahre als auch ein Kunstwerk der Zukunft, das die internationalen Tendenzen von Klangkunst und akustischer Ökologie zusammenführt.

2020: Die Stadt hört sich selbst

Auch „Sounding Linz“ ist wieder als eine „soziale Skulptur“ gedacht. In Rückbindung an den zentralen Satz der Linzer Kulturpolitik ab den späten 1970er-Jahren, „Kultur für alle!“, können alle die Linzer Klangwolke 2020 mitgestalten, indem sie ab 9. Juli 2020 auf soundinglinz.at Klänge und Geräusche aus dem Linzer Stadtgebiet posten.Die Linzer Klangwolke 2020 beginnt also schon am 9. Juli und zwar mit und auf soundinglinz.at! Die Linzer Klangwolke 2020 ist ein Kunstwerk des 21. Jahrhunderts: ökologisch – partizipativ – nachhaltig. Sounding Linz baut sich vom 9. Juli bis zum 12. September 2020 als ein großes Crescendo langsam, aber stetig auf. Die Linzer Klangwolke 2020 am 12. September ab 20 Uhr ist der Höhepunkt dieses mehrteiligen Prozesses: Mapping – Markierungen – Klangwolkentag – Klangwolke und soundinglinz.at als Archiv und Forschungsplattform für die Zeit danach. Das Klangwolken-Team arbeitet mit vielen Linzer Kreativen an einer – akustisch-visuellen – Liebeserklärung an die Stadt. Mehr als einhundert Linzer StudentInnen und KünstlerInnen werden an Sounding Linz beteiligt sein, sei es im virtuellen oder realen Raum.

Ab 9. Juli: Mapping

Ab dem 9. Juli 2020 können auf soundinglinz.at Audio- bzw. Videoaufnahmen sowie kurze Texte und auch veranschaulichende Fotos zu Klängen und Geräuschen im Linzer Stadtgebiet gepostet werden: kleine Reportagen zu bestimmten akustisch bemerkenswerten Orten; „Hör-Schnappschüsse“; Sounddokumentationen und kurze „Hör-Filme“. Jedes Smartphone kann und bietet alles, was dafür notwendig ist. Jede und Jeder darf und soll mitmachen. Erlaubt ist alles, was hörbar ist. Nicht nur das Wohlklingende und das ganz Besondere sind gefragt. Gefragt sind ebenso der Misston, der Lärm, das Banale, das Alltägliche, das ganz Normale, das vermeintlich akustisch Unscheinbare. Zu entdecken gibt es Podcasts, Field Recordings, Videos, Fotos, Texte und Klangspaziergänge. Auf der Website werden alle Schallereignisse auf einer Stadtkarte von Linz verortet, sprich, als Punkte eingetragen und mit den dazu geposteten Daten verknüpft. Damit soundinglinz.at nicht für fragwürdige oder gar illegale Zwecke missbraucht wird, ist eine Onlineredaktion als Prüfinstanz vorgeschaltet. Eine Auswahl dieser Punkte wird zu Hör-Wanderwegen verbunden, die sich real in der Stadt begehen und erlauschen lassen. Damit sich soundinglinz.at zum offiziellen Projektstart schon als kleines Paradies der akustischen Artenvielfalt von Linz präsentiert, ging ein großes Klangwolken-Team bereits vorab auf Soundexpedition und hat begonnen, die Website zu befüllen. Gefragt ist dezidiert auch der individuelle und ganz persönliche „Lieblingsklang Linz“. Möglichst viele Menschen sollen ihren Lieblingsklang in Linz nennen. Aus den Nennungen wird eine Word-Cloud, ein visualisiertes akustisches Profil der Stadt erstellt.Der „Lieblingsklang Linz“ kann per E-Mail oder telefonisch genannt werden: brucknerhaus@liva.linz.at, Klangwolkentelefon +43 (0) 732 7612 1000

Ab 15. August: Markierungen

Vom 15. August bis zum 12. September werden im gesamten Linzer Stadtgebiet akustisch besonders interessante Schallquellen und Orte mit Klangfahnen und anderen Mitteln visuell markiert, um Hörbares sichtbar zu machen. In diesem Zeitraum werden zu verschiedenen Themen und in verschiedenen Stadtteilen Klangspaziergänge angeboten. Markierungen und Klangspaziergänge sind akustische „Tropfen“, die sich mit vielen anderen bis zum 12. September zur Linzer Klangwolke 2020 verdichten.

12. September: Klangwolkentag

Zwischen den Dämmerungen intensiviert sich am Klangwolkentag das inszenierte akustische Geschehen in Linz. Bereits ab dem frühen Morgen heißt es: Ohren spitzen, hören gehen! Androsch, Auinger, Dorninger und Vasicek nutzen an diesem Tag den im Sommer aufgetürmten Soundmaterialberg für ihre Kompositionen und akustischen Interventionen bzw. Installationen – mit der geballten Erfahrung von jahrzehntelanger Arbeit in der Schallkunst und -forschung, am Theater sowie des audiovisuellen Gestaltens. Erst mit dem Dunkelwerden – nach der fernsehgerechten Klangwolkenstunde am Abend – verschwinden die Klänge in der Stille der Nacht. Beispiele: Die Klangwolkenhörner bespielen Teile des Stadtgebietes und verweisen auch auf die Schiffs- und Nebelhörner der Donauschiffe. Eine Reverenz an Alvin Currans legendäre Klangwolke Waterworks aus dem Jahr 1987. Während der Klangwolke bilden die Hörner ein zentrales Klangelement. Die Klingelwellen fließen durch die Stadt: ein vielstimmiger Akkord als „soziale Installation“und alle sind eingeladen mitzufahren. Es gibt einen eigenen Parcours mit akustischen Überraschungen und Entdeckungen. Die Klingelwellen klingen auch während der Klangwolke ab 20 Uhr.

12. September, 20 Uhr: Klangwolke – Die Stunde mit Klängen und Bildern

Ab 20 Uhr gibt es zur gewohnten Klangwolken-Zeit eine durchgestaltete Inszenierung des Linzer Stadtklangs, die per Livestream und möglicherweise durch andere Medien und auf anderen Kanälen (z. B. ORF III, ARTE, 3sat etc.), in jedem Fall aber TV-gerecht übertragen und zusätzlich zu den faszinierenden Klängen natürlich auch eindrucksvolle Bilder bieten wird. Im Sinne der „sozialen Skulptur“ wirken an dieser Inszenierung möglichst viele LinzerInnen und auch zahlreiche lokale sowie regionale KünstlerInnen mit. Beispiele: Die Radiowolke verweist auf die erste Linzer Klangwolke 1979. Auch 2020 sind alle LinzerInnen aufgerufen, ihre Radios, Smartphones oder Bluetooth-Lautsprecher ins offene Fenster zu stellen und die Radioübertragung der Klangwolken-Sounds in den Abendhimmel über Linz aufsteigen zu lassen. In Linz gibt es unzählige hohe Gebäude, Türme oder Anhöhen. Hundert BlechbläserInnen auf hundert Türmen nützen das, um von hoch oben ein Klangnetz über die Stadt zu spannen.Das imposante Stadion auf der Gugl strahlt, weithin sichtbar, von oben über die Stadt. Es schallen der Sound von tausend Bällen, eine „klingende Torwand“ und Fangesänge (über die Tonanlage) aus dem glühenden Stadion. Zu den weiteren Klangereignissen und -orten zählen: •zehn Juwelen(Mariendom, Brucknerhaus Linz, LENTOS Kunstmuseum, Venusgarten etc.) •Doppler-Sinfonie •Besenballett •der Freinbergtunnelund viele mehr

Nachhaltigkeit

Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz fungiert nicht nur als eine/r der KooperationspartnerInnen der Linzer Klangwolke 2020, sondern stellt einen gewichtigen Teil der Mitwirkenden, seien es Lehrende, AbsolventInnen oder Studierende. Nach dem 12. September wird soundinglinz.at von der Kunstuniversität als Archiv und Forschungsplattform weiterbetrieben. Außerdem fließt das gesammelte Material auch den wichtigsten internationalen Websites in Sachen Soundmapping und Acoustic Ecology zu. Auf diese Weise wird die Linzer Klangwolke 2020 zu einer Art Weltereignis. Die Hörstadt, das im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009 gegründete Labor für Akustik, Raum und Gesellschaft, fungiert – nicht nur durch die Person von Peter Androsch – als weiterer Kooperationspartner.

„Die Corona-Krise hat uns in den vergangenen Wochen viel abverlangt. Umso mehr freut es mich, dass das Team der LIVA eine großartige Lösung für die Abhaltung der Klangwolke im September gefunden hat. Unter diesen Umständen sowie den ungewohnten Gegebenheiten haben die Künstlerinnen und Künstler eine Klangwolke kreiert, die sicherlich den hohen Erwartungen der Besucherinnen und Besucher entspricht. Die Klangwolke ist ein wichtiger Botschafter der Stadt Linz und begeistert jedes Jahr tausende Menschen.“

Bürgermeister Klaus Luger

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