Lentos bekommt Archiv bedeutender Künstlergruppe
Sammlung Zamp Kelp / Haus-Rucker-Co enthält Hauptwerke der Avantgarde der 1960er und 70er
Am 24. September erfolgt im Linzer Gemeinderat der Beschluss zum Ankauf des Archivs von Prof. Günter Zamp Kelp durch die Stadt Linz. Mit dem Ankauf dieses umfangreichen Archivs, das im Wesentlichen Arbeiten der international bekannten Künstlergruppe Haus-Rucker-Co umfasst, übernimmt das Lentos Kunstmuseum Linz bedeutende Werkbestände der internationalen Architekturavantgarde in seine Sammlungen.
Das Archiv beinhaltet 537 Einzelwerke, insbesondere Collagen, Zeichnungen, Drucke, Skizzen, Modelle und Objekte. Nach dem Erwerb des Vorlasses von VALIE EXPORT 2015 ist dies die zweite bedeutende Sammlungserweiterung des Lentos Kunstmuseum binnen weniger Jahre. Damit kommen weitere Hauptwerke der österreichischen Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre dauerhaft nach Linz. Der Ankauf unterstreicht den Imagewandel von Linz zu einer modernen, zukunftsorientierten Industrie- und Kulturstadt. Nicht zuletzt ist die jüngere Kulturgeschichte der Stadt mit einem Schlüsselwerk von Haus-Rucker-Co, der Nike, wesentlich verbunden. Der Kaufpreis für das Archiv Zamp Kelp beträgt 400.000 Euro, wobei sich der Schätzwert gemäß dem von der Stadt Linz beauftragten Gutachter auf das rund sechsfache bemisst.
„Mit der Skulptur der Nike haben Haus-Rucker-Co 1977 als Teil des forum metall wesentlich zum Imagewandel der Stahlstadt Linz in Richtung einer modernen, aufgeschlossenen Industrie- und Kulturmetropole beigetragen. Daher freut es mich ganz besonders, dass es nun mit dem Ankauf des Archivs Zamp Kelp gelingt, einen Teil des Vorlasses dieser so bedeutenden Künstlergruppe dauerhaft für Linz zu sichern.“
Bürgermeister Klaus Luger
„Mit dem Ankauf bedeutender Werke der oberösterreichischen Künstlergruppe Haus-Rucker-Co setzt die Stadt Linz in Zeiten der Corona-Krise ein nachhaltiges Zeichen für die Weiterentwicklung des Lentos Kunstmuseum und damit des Kunststandortes Linz. Nach dem Erwerb des Vorlasses von VALIE EXPORT wird damit ein weiterer wichtiger Meilenstein der österreichischen Moderne mit Linzbezug die Sammlung wesentlich erweitern“, freut sich Kulturreferentin Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer. „Es ist für mich eine besondere Ehre, dass das Archiv Zamp Kelp / Haus-Rucker-Co von Linz, der Stadt meiner Kindheit und Jugend, angekauft wird. Mein großer Wunsch ist, dass die Zeichnungen, Collagen und Modelle als Teil der Sammlung des Lentos Kunstmuseum zum vitalen, kommunikativen Faktor in der Kulturarbeit und der Forschung der Stadt Linz und damit in Oberösterreich werden“, so Architekt und Künstler Günter Zamp Kelp.
„Der Ankauf des Archivs Zamp Kelp stellt für das Lentos Kunstmuseum eine wichtige Stärkung und Internationalisierung der Sammlung dar. Durch diesen Ankauf wird das Lentos zu einem wichtigen Leihgeber und einem Kompetenzzentrum für die österreichische Avantgarde rund um 1968,“ ist Lentos Direktorin Hemma Schmutz überzeugt.
Haus-Rucker-Co und Günter Zamp Kelp
Die architekturhistorische Bedeutung des Werkes von Haus-Rucker-Co als namhafte Vertreter der österreichischen Nachkriegs-Avantgarde ist unbestritten und durch eine Reihe von internationalen Publikationen, wie Monografien und Sammelbänden, sowie durch Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen untermauert. Insbesondere für die Architekturgeschichte und Architekturtheorie, deren Fokus sich in den letzten Jahren vermehrt auf die 1960er und 1970er konzentriert, stellt das Archiv Zamp Kelp eine enorm wichtige Ressource dar. Im September 1967 gründeten die Architekten Laurids Ortner und Günter Zamp Kelp sowie der Maler Klaus Pinter in Wien die Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co, die bis 1992 aktiv war. 1970 wurden Architekturstudios in Düsseldorf und New York eröffnet. 1971 trat Manfred Ortner dem Studio in Düsseldorf bei. Die Gruppe gilt neben Walter Pichler, Hans Hollein, Coop Himmelb(l)au und Zünd Up als eine der Hauptprotagonisten der österreichischen Architekturavantgarde der Nachkriegszeit. Haus-Rucker-Co repräsentierten damit eine junge Strömung, die mit künstlerischen Mitteln (u.a. Performances, Installationen, Zeichnungen) Architektur kritisch hinterfragte. „Sie waren selbst Kritiker und Utopisten in ihrer Zeit, die es verstanden, mit öffentlichkeitswirksamen Events Menschen zum Nachdenken und verantwortlichen Handeln im eigenen Umfeld aufzufordern“, schreibt Eva-Maria Barkhofen, Kunsthistorikerin an der Akademie der Künste in Berlin.
Nach anfänglichen Installationen und Performances in Wien nahmen Haus-Rucker-Co bald auch an internationalen Ausstellungen teil. Unter anderem waren sie 1972 bei der documenta 5 in Kassel mit ihrem Projekt „Oase Nr. 7“ und 1973 mit dem Projekt „Grüne Lunge“ in der Kunsthalle Hamburg zu sehen. Weitere internationale Ausstellungsbeteiligungen, insbesondere zwei Teilnahmen an der documenta 6 (1977) und documenta 8 (1987) folgten. Arbeiten der Gruppe sind in allen wichtigen internationalen Museen vertreten, u.a. Museum of Modern Art in New York, Centre Pompidou in Paris, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt/M. und Museum für Moderne Kunst in Wien.
Als Gründungsmitglied der Gruppe Haus-Rucker-Co ist Günter Zamp Kelp eine herausragende Bedeutung in der jüngeren Geschichte der österreichischen Architektur zuzuschreiben. Geboren in Rumänien, aufgewachsen in Linz studierte Günter Zamp Kelp von 1959 bis 1967 Architektur an der TU Wien, war dann ebendort Assistent von Karl Schwanzer und übersiedelte 1970 mit dem Studio Haus-Rucker-Co nach Düsseldorf. 1971 bis 1972 war er auch im Studio der Gruppe in New York tätig. In den 1980er Jahren gründete Zamp Kelp eigene Architekturbüros in Berlin und Düsseldorf und übte Gastprofessuren an der Cornell University in Ithaca (New York State, USA) sowie am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt/M. aus. 1988 folgte der Ruf zum Professor für Gebäudeplanung und Raumgestaltung an die Hochschule der Künste in Berlin (heute Universität der Künste), wo er 2009 seine Lehrtätigkeit beendete. Nach Auflösung von Haus-Rucker-Co 1992 entstanden eine Reihe von bedeutenden Bauten von Prof. Zamp Kelp, u.a. das Neanderthal Museum in Mettmann bei Düsseldorf (1993–1996) zusammen mit Julius Krauss und Arno Brandlhuber, das Haus vor dem Wind (2000–2006) im Rheinhafen Düsseldorf sowie 2007 zusammen mit den Innenarchitekten neo.studio die Kunsthalle Mainz im Rheinhafen von Mainz. Prof. Zamp Kelp wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet und war von 2001 bis 2003 und 2005 bis 2007 Mitglied und zeitweise Vorsitzender des Beirates für Stadtgestaltung der Stadt Linz.
Haus-Rucker-Co und Linz
Die Mitglieder der Gruppe Haus-Rucker-Co stammen aus Oberösterreich und Linz. Wichtige Projekte der Gruppe wurden hier realisiert. Bedeutend für Linz ist insbesondere die Beteiligung von Haus-Rucker-Co am forum metall in Linz. Im Jahr 1977 wurde im Vorfeld dieser Ausstellung am linken Brückenkopfgebäude, dem Standort der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung, die Skulptur „Nike“ installiert, die 1979 abmontiert wurde. Heute ist die Nike als Leihgabe des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt/M. wieder in Linz situiert, und zwar am Gebäude der Kunstuniversität in der Domgasse 1.
Die Sammlung des Lentos Kunstmuseum besitzt bis dato insgesamt 23 Werke von Haus-Rucker-Co sowie zwei Zeichnungen von Klaus Pinter (1963, 2006). Mit der bevorstehenden umfangreichen Ergänzung des derzeitigen Bestandes verfügt das Lentos nun österreichweit über das mengenmäßig größte Konvolut von Werken der Gruppe Haus-Rucker-Co.
Werkbestand Archiv Zamp Kelp
Das Archiv von Günter Zamp Kelp besteht aus 537 Einzelwerken (Modellen, Zeichnungen, Collagen etc.) aus allen Schaffensperioden von Haus-Rucker-Co sowie in Teilen vom Künstler selbst. Die Werke des Vorlasses beinhalten sowohl Arbeiten, die während der Studienzeit entstanden sind, als auch Arbeiten zu prominenten Projekten von Haus-Rucker-Co, wie zum Beispiel „Ballon für Zwei“, „Pneumacosm“, „Electric Skin 1“, „Roomscraper“, „Connexionskin“, „Gelbes Herz“, „Environment Transformer“, „Vanille Zukunft“ etc. Weiters beinhaltet der Ankauf auch eine Reihe von bisher eher unbekannten Projekten sowie von Projekten, die die Hinwendung von Haus-Rucker-Co zu konkreten Bauaufgaben, wie zum Beispiel der Wettbewerbsbeitrag für das ZKM in Karlsruhe, dokumentieren und bis 1989 datiert sind. Ergänzend sind Arbeiten der Jahre 2007 bis 2018 – also lange nach der offiziellen Auflösung von Haus-Rucker-Co – inkludiert. Diese sind vorwiegend als Überzeichnungen tituliert. Es handelt sich dabei um Weiterfü-rungen von Ideen der frühen Arbeiten von Haus-Rucker-Co durch Günter Zamp Kelp.