Klimawandel gemeinsam anpacken
Die Stadt Linz hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein, und muss somit mit aller Kraft die Herausforderung des Ausstiegs aus den fossilen Energien angehen. Gleichzeitig sind auch die Vorkehrungen zu treffen, um die bereits jetzt nicht mehr abwendbaren Folgen der klimatischen Veränderungen – etwa Hitzewellen, Starkregen-Ereignisse oder Trockenheit – abzufedern. Linz stellt sich dieser Verantwortung und erarbeitet daher sowohl ein Klimaneutralitäts- als auch ein Klimawandelanpassungskonzept. Letzteres steckt die Rahmenbedingungen ab, wie die Lebensqualität im Stadtgebiet trotz der Folgen der globalen Erwärmung bestmöglich erhalten und, wenn möglich, auch verbessert werden kann.
Im Frühling startet daher für das Klimawandel-Anpassungs-Konzept nun eine Workshop-Reihe, zu der neben Expert*innen unter anderem auch die Linzer*innen gezielt eingeladen sind. Die Stadt versendet insgesamt 3.000 Einladungen an ein repräsentatives Sample von Bürger*innen, um diese für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen.
Hitzetage und Tropennächte sind die unmittelbarsten Auswirkungen des Klimawandels, die vor allem Stadtbewohner*innen besonders stark zu spüren bekommen. Der Stadt Linz ist es wichtig, das Portfolio an Handlungsmöglichkeiten bewusst und verantwortungsvoll im Rahmen eines wissenschaftlich fundierten Prozesses auszuschöpfen, anstatt punktuelle Einzelmaßnahmen zu setzen. Für einen umfassenden Prozess ist die Expertise der Bürger*innen natürlich unverzichtbar.“
Bürgermeister Klaus Luger
„Klimawandel geht uns alle an – als Landeshauptstadt und Industriestandort haben wir gleichzeitig eine große Verantwortung, den Ballungsraum Linz für die Bewohner*innen so lebenswert wie möglich zu erhalten. Es ist mir besonders wichtig, die Linzer*innen in den Prozess mit einzubeziehen und diese für sie elementaren Fragen auf Augenhöhe zu diskutieren, da es letztlich um die nachhaltige Ausgestaltung unseres unmittelbaren Lebensumfeldes geht“, erklärt Klimareferentin Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger.
„Anpassung an den Klimawandel muss Hand in Hand mit Klimaschutz gehen. Mit dem Anpassungskonzept geben wir den Rahmen für viele konkrete Schritte in Richtung einer langfristig lebenswerten Stadt vor. Ihre 17 heißesten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1816 hat Linz in den vergangenen 20 Jahren erlebt“, erklärt Stadtklimatologe Mag. Dr. Johannes Horak, vom Magistrats-Geschäftsbereich Planung, Technik, Umwelt (PTU).
„Bei der Erstellung des Klimawandelanpassungskonzepts für Linz setzten wir auf einen breiten partizipativen Prozess. Das heißt, wir binden Akteur*innen aus wichtigen gesellschaftlichen Bereichen aktiv in die Konzepterstellung mit ein. Ob Gesundheitssektor, öffentlicher Raum oder Artenvielfalt, viele Bereiche in unserer Stadt sind von Klimaauswirkungen betroffen und müssen sich vorausschauend anpassen“, erklärt der Linzer Klimakoordinator Oliver Schrot.
Hitzewellen, Starkregen & Co: Ganzheitliche Perspektive ist gefragt
Der Umgang mit den Veränderungen des Klimas stellt Städte und ihre Bewohner*innen vor große Herausforderungen. Unter dem Begriff „Klimawandel-Anpassung“ werden Maßnahmen verstanden, die dem Verlust von Lebensqualität entgegenwirken, der durch klimatische Veränderungen verursacht wird. Die Stadt Linz setzt sich mit diesem Thema mit einem umfassenden Anpassungskonzept auseinander. Dieses verknüpft Anpassungsmaßnahmen auf einer höheren, strategischen Ebene, um sie gemeinsam zu denken anstatt auf Einzelprojektbasis unabhängig voneinander passieren zu lassen.
Das bedeutet, dass die Stadt ihre Herausforderungen, wie die Abmilderung von Hitzeinseln, eine ausreichende Durchlüftung, die Vorbereitung auf Starkregen, gesundheitliche Auswirkungen von Hitze oder auch die Aufenthaltsqualität an öffentlichen Plätzen im Sommer, nicht mehr isoliert voneinander betrachtet, sondern als Querschnittsmaterie, die ganzheitlich bewertet werden muss. Dies spiegelt sich bereits in der intensiven Zusammenarbeit vieler städtischer Abteilungen, wie der Stadtplanung, der Verwaltung, der Daseinsvorsorge oder auch in der Kommunikation mit Bürger*innen zu diesem Thema wider, was letztlich Synergien heben und Zielkonflikte vermeiden soll.
Die übergeordneten Ziele für das Linzer Klimawandel-Anpassungs-Konzept bieten einen kurzen und prägnanten Überblick über die strategischen Schwerpunktsetzungen:
- Klimaökologische Ausgleichsfunktion auf städtischer Ebene erhalten
und aufwerten (beispielsweise Durchlüftungsschneisen erhalten); - Stadtklimatisch wirksame Freiflächen schaffen, erhalten und aufwerten;
- Aufenthaltsqualität im Freien erhalten und aufwerten;
- Biodiversität erhalten und fördern;
- Veränderte Risikolage bei Extremereignissen berücksichtigen. Berücksichtigung der veränderten Häufigkeit und Intensität in der Stadt- und Raumplanung, in Katastrophenvorsorge sowie im Katastrophenmanagement;
- Verbesserung und Ausbau der stadtklimatisch bedeutsamen Datenlage;
- Governance – Umgang mit dem Klimawandel als integralen und strategischen Bestandteil der Stadtverwaltung und -entwicklung etablieren;
- Interne sowie externe Bewusstseinsbildung intensivieren;
- Gesundheit und Wohlbefinden – gesundheitliche Belastungen vermindern und Förderung des Wohlbefindens der Linzer*innen unter veränderten klimatischen Rahmenbedingungen;
- Kritische Infrastruktur – Funktionsfähigkeit von kritischer Infrastruktur und kritischen Serviceleistungen sicherstellen.
Partizipativer Prozess – Mitmachen erwünscht!
Für die erfolgreiche Entwicklung des Konzepts ist die Expertise mehrerer Stakeholder-Gruppen, von betroffenen Magistrats-Geschäftsbereichen über die Stadtpolitik bis hin zur Unternehmensgruppe, unverzichtbar. Eine wesentliche Rolle in diesem Prozess spielen auch die Bürger*innen, welche die Auswirkungen des Klimawandels in ihrem alltäglichen Leben spüren. Die Stadt versendet daher 3.000 Einladungen an einen repräsentativen Querschnitt der Linzer Bevölkerung mit der Bitte, an einem eigenen Bürger*innen-Workshop teilzunehmen und ihre Erfahrungen und Wünsche einzubringen. Zudem wird es auch auf der Beteiligungsplattform des Innovations-Hauptplatzes die Möglichkeit geben, Vorschläge für das Anpassungskonzept einzureichen.
In einer Reihe von insgesamt vier Stakeholder-Workshops, drei davon mit Fach-Expert*innen besetzt, werden unter anderem folgende Fragestellungen gemeinsam behandelt – mit dem Ziel eine ganzheitliche Sichtweise auf die Herausforderungen zu gewinnen:
- Mit welchen Auswirkungen des Klimawandels wird von den verschiedenen Akteur*innen gerechnet?
- Mit welcher Wahrscheinlichkeit schätzen sie deren Eintreten ein und wie groß ist in diesem Fall die Betroffenheit?
- Welche strategischen Handlungsempfehlungen können in verschiedenen Handlungsfeldern gemacht werden, um Auswirkungen zu lindern?
- Welche dieser Handlungsempfehlungen sollten priorisiert werden?
Als fachliche Basis für die Workshops dienen die Vorarbeiten der Abteilung Stadtklimatologie und Umwelt sowie der Klimastabsstelle der Stadt Linz. Unter anderem wurden bislang eine Struktur für das Anpassungskonzept erarbeitet und erste Verwundbarkeitsanalysen für Linzer Bezirke erstellt. Auch wurden bestehende Klimawandel-Anpassungs-Konzepte, etwa die nationale Anpassungsstrategie und jene des Landes Oberösterreich, analysiert.
Das Projektteam des Klimawandel-Anpassungs-Konzeptes besteht aus Mitgliedern der Abteilung Stadtklimatologie und Umwelt (GB Planung, Technik, Umwelt), der Klimastabsstelle der Stadtregierung (GB Büro Stadtregierung) sowie aus Elisabeth Stix vom Unternehmen Rosinak & Partner ZT GmbH.
Prognose: Mehr als doppelt so viele Hitzetage in Linz
Der weltweite Klimawandel kann auf eine zu hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre zurückgeführt werden. Das Kohlendioxid verringert die Durchlässigkeit der Atmosphäre für Wärmestrahlung, was wiederum als Folge hat, dass sich die Erde schlechter abkühlen kann als zuvor.
In den vergangenen Jahren wurde weltweit ein Temperaturanstieg von etwa 1,1 Grad Celsius verzeichnet. Aufgrund der Distanz zum Meer, des städtischen Hitzeinsel-Effekts und der Beckenlage ist in Linz der Anstieg mit etwa 3 Grad Celsius deutlich stärker ausgefallen. Wenn keine Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden, sagen Klimamodelle für Oberösterreich bis zum Jahr 2100 im Mittel ein Temperatur-Plus von 4 Grad Celsius voraus – wiederum ist für Linz aufgrund der genannten Gründe mit einem noch stärkeren Anstieg zu rechnen.
Die Stadt erlebte seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1816 in den vergangenen 20 Jahren 17 ihrer bislang 20 heißesten Jahre, die verbleibenden drei Jahre fallen in die 1990er Jahre.
Im Zuge dieser Entwicklung nahmen auch die Hitzetage und Tropennächte zu, also Tage, an denen die Höchsttemperatur 30 Grad Celsius oder mehr erreicht hat, sowie Nächte, an denen die Lufttemperatur nicht unter 20 Grad Celsius gesunken ist.
Die Wissenschaft erlaubt anhand computergestützter Modellierungen in dieser Hinsicht einen detaillierten Blick in die Zukunft: Werden keine zusätzlichen Bemühungen getroffen, die Treibhausgas-Emissionen zu beschränken, verdoppeln sich die jährlichen Hitzetage in der aktuellen Periode 2021 – 2050 auf 20 im Vergleich zu den Jahren 1971 – 2000, als es zu durchschnittlich zehn Hitzetagen pro Jahr gekommen ist. Für den Zeitraum 2071 – 2100 wird in diesem Szenario durchschnittlich eine Vervierfachung auf 40 Hitzetage erwartet. Stellenweise prognostiziert das Modell gegen Ende des Jahrhunderts sogar bis zu 64 Hitzetage pro Jahr, insbesondere in den Bezirken Innere Stadt, Kaplanhof und im Industrieviertel.
Die Auswirkungen sind jedoch nicht alleine auf die Temperaturen beschränkt. Auch im Hinblick auf Niederschläge sind Veränderungen zu erwarten: Perioden mit Trockenheit und großer Hitze können mit Perioden starker Niederschläge abwechseln. Generell ist zu erwarten, dass Starkregenereignisse und die Intensität von Unwettern zunehmen werden.
Klimaschutz vs. Klimawandel-Anpassung: eine Klarstellung
Der Begriff Klimaschutz wird häufig missbräuchlich verwendet, indem ihm alle Maßnahmen, die Klima- und Umweltschutz betreffen, zugeschrieben werden. Im eigentlichen Sinn fallen unter den Begriff Klimaschutz Maßnahmen, die das Ziel haben, die auf menschlichen Einfluss rückführbare Erwärmung aufzuhalten. Das bedeutet in letzter Konsequenz, den Ausstoß von Treibhausgasen entweder komplett zu unterbinden oder so weit zu reduzieren, bis der verbleibende Anteil durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden kann. Im Abkommen von Paris ist vereinbart, den Temperaturanstieg der Jahresmitteltemperaturen gegenüber der vorindustriellen Zeit unter 1,5 Grad zu halten. Für Österreich und Europa bedeutet das mehr als eine Halbierung des aktuellen jährlichen Treibhausgas-Ausstoßes bis zum Jahr 2030.
Klimawandel-Anpassung hingegen beschreibt Maßnahmen, die dazu beitragen, sich auf ein heißeres Klima einzustellen, die Folgen des Klimawandels zu mindern und Chancen, die sich aus der Klimawandelanpassung ergeben, zu nutzen. Für Städte bedeutet dies beispielsweise – neben vielen anderen Aktivitäten – für eine stärkere Durchgrünung zu sorgen, wo es möglich ist, Flächen zu entsiegeln und eine intakte Durchlüftung der Stadt zu gewährleisten.
Bäumen kommt dabei eine wesentliche Rolle zu, da sie einerseits Schatten spenden und somit der Aufheizung von Oberflächen entgegenwirken. Andererseits verdunsten vor allem Laubbäume Feuchtigkeit und kühlen so direkt die Luft um sie herum – sie wirken, vereinfacht gesagt, wie natürliche Klimaanlagen.
Weitere wichtige Klimawandel-Anpassungen sind beispielsweise die Entsiegelung von Flächen, Begrünung von Fassaden und Dächern oder auch das Freihalten von Luftleitbahnen und Kaltluftabflussbahnen.